Archivfund bremst Umbau des Hitler-Geburtshauses nicht

Dokumentarfilmer Günther Schwaiger (re.) und Historiker Florian Kotanko (li.) in Braunau
Beim Filmdreh in Braunau in Oberösterreich entdeckte Günther Schwaiger einen Artikel, laut dem Hitler eine administrative Nutzung des Gebäudes wünschte. Die Neugestaltung ist trotzdem fix.

Ein ganz normaler Dokumentarfilm hätte es werden sollen. Über den Einzug der Lebenshilfe in ein leer stehendes Gebäude. Es ging aber eben nicht um irgendein leer stehendes Gebäude. Sondern um jenes in der Salzburger Vorstadt 15, in Braunau am Inn. Adolf Hitlers Geburtshaus.

Und genauso ungewöhnlich wie das Haus selbst, haben sich auch die Dreharbeiten zu „Wer hat Angst vor Braunau?“ gestaltet. Zwei Mal musste der Dokumentarfilmer Günther Schwaiger das Konzept neu überdenken, zwei Mal die Geschichte umschreiben. Bis schließlich, kurz vor Fertigstellung des Films, ein weiteres Detail zutage kam: Ein Artikel der Wochenzeitung Neue Warte am Inn vom 10. Mai 1939.

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Zeitungsausschnitt aus „Neue Warte am Inn“ vom 10. Mai 1939

Zu lesen ist dort: „Der Führer hat sein Geburtshaus der Kreisleitung Braunau zur Verfügung gestellt. Über seinen Wunsch ist es zu Kanzleien der Kreisleitung umzubauen.“

Diskussion entfachen

Mit diesem Fund hofft Schwaiger, die Diskussion über die Nachnutzung des Gebäudes neu zu entfachen. Die derzeit geplante Nutzung komme dem Wunsch Hitlers nämlich sehr nahe, sagt er. Das Innenministerium (BMI) hat vor, die Polizei – in Form einer Polizeiinspektion und eines Schulungszentrums für Menschenrechte – im Geburtshaus unterzubringen. Dafür soll das Gebäude nach dem Entwurf eines Vorarlberger Architekturbüros umgebaut werden. Ganz im Sinne der Ausschreibung, die eine „Neutralisierung“ des Gebäudes verlangte.

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Der Film brachte die ersten Bilder vom Inneren des Hitler-Geburtshauses seit 2011 zutage. Damals ist die Lebenshilfe ausgezogen

Neutralisieren lasse sich dieses Gebäude aber nicht, wenn der Fund dieses Artikels über dem Haus schwebe, sagt der Filmemacher Günther Schwaiger. „Die geplante administrative Nutzung wird immer im Verdacht stehen, dass es eigentlich Hitlers Wunsch war“, sagt Schwaiger. Auch wenn klar sei, dass die Polizei nicht mit der Kreisleitung zu vergleichen sei. Es sei „verheerend“, dass dieses Dokument von der vom BMI eingesetzten „Kommission zum historisch korrekten Umgang mit dem Geburtshaus Adolf Hitlers“ nicht gefunden worden sei.

Zeithistoriker nennt Anschuldigungen "absurd"

Zeithistoriker Oliver Rathkolb, der Teil der Expertenkommission war, nennt Schwaigers Anschuldigungen „absurd“. Die Aufgabe der Kommission sei es nicht gewesen, die Geschichte des Hitlerhauses vor 1945 zu erforschen. Außerdem handle es sich bei dem Fund nicht um ein Dokument, sondern lediglich um einen Presseartikel. „Ein O-Ton, für den es keinen zweiten Beleg gibt. Daraus zu konstruieren, dass es der direkte Wunsch Hitlers war, ist einfach zu früh“, sagt Rathkolb. „Skandalös“ finde er zudem, dass eine NSDAP-Kreisleitung mit einer Polizeistation des Innenministeriums verglichen werde. „Entweder man vertraut den demokratischen Institutionen oder nicht.“

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Ein Bild des Gebäudes aus dem Jahr 1938

Dass es sich bei dem Artikel in einer Zeit, in der die NSDAP auch bereits das gesamte Medienwesen kontrollierte, um das Produkt eines Redakteurs handle, glaubt der Historiker Florian Kotanko nicht. Er leitet das Archiv der Stadt Braunau und kommt auch im Film vor. „Mit dem Namen Hitler konnte man nicht einfach so einen Text gestalten“, sagt er.

Keine Angst vor Braunau

Statt der Angst, die vor Braunau und dem Gebäude konstruiert werde, brauche es laut Filmemacher Schwaiger nun eine breite Diskussion. „Die Braunauer haben keine Angst vor dem Gebäude. Warum lässt man die Leute also nicht selbst entscheiden, was mit dem Haus passiert?“

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Ab 1. September ist der Film in den Kinos zu sehen

Dafür dürfte es nun aber zu spät sein. Denn eine Neubewertung der Situation werde das BMI trotz des nun gefundenen Artikels nicht durchführen. Ganz im Gegenteil: Nachdem der Baubeginn mehrmals verschoben wurde – ursprünglich sollte die Polizei schon 2022 einziehen – steht laut BMI nun ein Termin fest. Am 2. Oktober soll es demnach los gehen.

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In Braunau weiß man davon noch nichts. Allerdings: „Die Baubewilligung ist aufrecht und draußen. Wann der Bauträger anfängt, ist ihm überlassen“, sagt Bürgermeister Johannes Waidbacher (ÖVP).

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