Braunau: Ein Strauß Blumen und das Bedürfnis nach Ruhe

Das Hitlerhaus in Braunau.
Ein deutsches Touristenpaar fotografiert das Gebäude, versichert eilig, dass es nur historisches Interesse am Haus hat. Das zu erwähnen ist ihnen wichtig, denn es steht an prominenter Adresse: Salzburger Vorstadt 15, in Braunau am Inn. Adolf Hitlers Geburtshaus. Die beiden Deutschen stehen auch nicht an irgendeinem Tag vor diesem Haus, sondern am vergangenen Donnerstag, am 20. April. Hitlers Geburtstag. 1889 wurde er hier geboren.
➤ Mehr lesen: Hitlerhaus: Architektur lässt Geschichte nicht verblassen
Obwohl Hitler nur kurze Zeit – drei Jahre – in Braunau lebte, lastet das damit verbundene geschichtliche Erbe des Diktators bis heute schwer auf der Bevölkerung. Viele Jahre war es Anziehungsort für Neonazis, besonders an Hitlers Geburtstag. Es wurden Kerzen angezündet und Bilder aufgestellt.
78 Jahre nach Hitlers Tod 1945 in Berlin, liegt schon in der Früh ein Blumenstrauß vor dem alten Gebäude. Die Polizei hat die Streifen verstärkt, ein Polizist in Zivil, der an diesem Tag vor Ort ist, entfernt die Blumen sofort.
Polizei zieht ein
Die Polizei ist es auch, die das Hitlershaus künftig bewohnen wird. Die Republik Österreich hat die Eigentümer enterbt, das Innenministerium will nach den Vorgaben einer eingesetzten Kommission das Haus „neutralisieren“ und eine Polizeidienststelle samt Zivilschutzzentrum darin etablieren. Nichts an dem Haus soll an seine Geschichte erinnern. Geplante Fertigstellung nach jetzigem Stand: 2026.
Ob die „Neutralisierung“ tatsächlich der Weisheit letzter Schluss ist, darüber entbrannte zuletzt eine Debatte in Braunau. Ausgelöst von einer Gruppe junger Architektinnen (der KURIER berichtete). Sinnvoller als die neutrale Gestaltung sei es, eine Dauerinstallation mit antifaschistischen Botschaften an der Fassade einzurichten, argumentierten sie. Diese Botschaften wären dann auf jedem Foto zu sehen.
Nach Braunau sind am vergangenen Donnerstag auch Josef Johann Baron und seine Frau, beide Pädagogen aus Deutschland, gekommen. Sie bauen Informationstafeln für eine Mahnwache auf, um genau hier über den Holocaust aufzuklären.
Keine Nazi-Aufmärsche mehr
Anziehungspunkt war das „Hitler-Haus“ viele Jahre lang: Für Aufmärsche von Neonazis und damit einhergehenden Gegendemonstrationen von Antifaschistischen. Es gab Ausschreitungen und Anzeigen wegen Wiederbetätigung. In den vergangenen Jahren hat sich die Situation aber beruhigt.
Im Kaffeehaus (gleich vorweg: Eiernockerln mit grünem Salat, Hitlers Lieblingsspeise, gab es nicht), ist Hitlers Geburtstag kein Thema. Eine Passantin sagt: „Das Haus hat nur noch für die Nazis eine Bedeutung.“ Und eine Braunauerin im Supermarkt findet: „Der Rummel ist mittlerweile überbewertet. Irgendwann muss Ruhe sein.“
Dass jemals Ruhe einkehrt, hält der Braunauer Historiker Florian Kotanko für eher unwahrscheinlich. „Sie würden auch kommen, um eine Lücke zu sehen.“ Aber: „Nicht jeder, der eine Kirche fotografiert, ist Christ und nicht jeder, der das Hitlerhaus fotografiert, ein Nazi.“
Kommentare