Ex-Minister Stöger: ÖVP "will die Pflege den Frauen umhängen"

Alois Stöger, Spitzenkandidat der SPÖ OÖ
„Es gibt keine Christlich-Sozialen mehr“, greift Alois Stöger, OÖ-Spitzenkandidat der SPÖ, seinen ehemaligen Koalitionspartner an.

Der Gewerkschafter Alois Stöger war Gesundheits-, Infrastruktur- und Sozialminister. Nun ist der 59-Jährige, der in Ottensheim wohnt, Spitzenkandidat der oberösterreichischen Sozialdemokraten für die Nationalratswahl am 29. September.

KURIER: Sie waren neun Jahre lang Mitglied der Bundesregierung. Wie ist es, wenn man dann als Oppositionsabgeordneter erleben muss, dass Projekte und Maßnahmen wie die Aktion 20.000 mit einem Federstrich beseitigt werden?

Alois Stöger: Ich habe dagegen gekämpft, wie es nur möglich war. Ich habe mit jedem Tag von Schwarz-Türkis-Blau gemerkt, wie gut wir gearbeitet haben. Das war die einzige Art und Weise, wie man das menschlich aushält. Bei der Aktion 20.000 haben wir es geschafft, innerhalb von einem Jahr 3900 Menschen, die älter als 50 und bereits ein Jahr arbeitslos waren, in Beschäftigung zu bringen. Das macht den Unterschied aus zwischen einer Politik, die sagt, der Markt regelt alles und einer Politik, wo Menschlichkeit zählt.

Gibt es nicht doch auch Frust?

Ja, darüber, dass es passiert. Ich bin persönlich lieber bei jenen, die etwas zustande bringen als bei den Zerstörern.

In Ihren Wahlkampfaussendungen ist der öffentliche Verkehr das Hauptthema.

Ich bin im Parlament Obmann des Verkehrsausschusses. Weiters bin ich Mitglied im Sozial- und im Budgetausschuss.

Kann man sich als Oppositionsabgeordneter noch motivieren, wenn man so viele Jahre in der Regierung an oberster Stelle gearbeitet hat?

Ja, ganz besonders. Man kennt die Materien und Abläufe, deshalb sieht man die Dinge viel schneller. Ich weiß, wie man Budgets erstellt und abwickelt. Man durchblickt die Phrasen, die von den anderen kommen.

Was haben Sie sich für Oberösterreich zum Ziel gesetzt?

Wir wollen stärker werden (Ergebnis 2017: 27,6 Prozent). Eine Politik der Menschlichkeit geht nur mit einer starken SPÖ. Man hat den 12-Stunden-Tag eingeführt und den Evangelischen den Feiertag gestohlen.

Was ist Ihr inhaltliches Hauptprojekt?

Wir müssen den öffentlichen Verkehr stärken. Wir wollen den Ausbau der Summerauerbahn (Linz– Summerau, an der tschechischen Grenze) statt der Linzer Ostumfahrung. Wenn man wo eine Straße ausbaut, dann muss man mindestens so viel Geld in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs stecken.

Verkehrslandesrat Günther Steinkellner (FPÖ) betont, dass das Land bereits mehr Geld für den öffentlichen Verkehr ausgibt als für den Straßenbau.

Das ist leider nicht wahr. Man muss die Gesamtausgaben für den Verkehr rechnen, dann stimmt die Behauptung nicht. Wir brauchen in Oberösterreich in jedem Ort 32 Verbindungen am Tag. Das heißt, es muss 64 Mal am Tag ein Bus oder ein Zug dastehen, ansonsten hat man keinen öffentlichen Verkehr. Das ist die Untergrenze. Ein Schul- oder ein Schichtbus sind zu wenig. Man kann das mit der Wasserversorgung vergleichen. Das wäre so, wie wenn das Wasser nur von fünf bis acht Uhr früh und abends von fünf bis sechs Uhr rinnt. Da würde jeder sagen, wir haben kein Wasser. Beim Verkehr ist es genauso.

Mit der Stärkung des öffentlichen Verkehrs stärken wir auch jene, die nicht in der Lage sind, mit dem Auto zu fahren. Es wird damit ihr Mobilitätsbedürfnis befriedigt. Hier geht es um Junge, um Ältere, um Personen mit Einschränkungen und um Menschen, die nicht das Geld haben, sich ein Auto zu leisten. Für Oberösterreich heißt das, dass man alle Bahnstrecken elektrifiziert. Das bedeutet eine massive Reduktion des CO2-Ausstoßes.

Wie viel Geld wollen Sie in die Summerauerbahn investieren?

Wir haben in die S10 rund 700 Millionen Euro investiert. Wenn wir das in die Bahn stecken, geht sie durch bis Budweis.

Für die 90 km lange Strecke benötigt man derzeit zweieinhalb Stunden.

Das ist eine Sauerei. Wenn man entlasten will, muss man von der Europäischen Union verlangen, dass bei jedem Produkt, das weiter als 500 km transportiert wird, die Verkehrsleistung zu 80 Prozent auf der Schiene stattfindet. Mit dieser Regelung bekommen wir den -Ausstoß in den Griff.

Es geht um den Ausbau des öffentlichen Verkehrs sowohl für die Menschen als auch für die Waren. Die meisten Emissionen kommen vom Warenverkehr. Einer der größten Rückschritte ist das Postverteilzentrum in Allhaming. Da hat man mitten in die grüne Wiese ein neues Zentrum hingebaut. Da wird jeder Brief mit dem Lkw hintransportiert und mit dem Bus zurückgebracht. Früher war das Postverteilzentrum 200 Meter neben dem Linzer Hauptbahnhof. Der Transport lief über den Postwaggon mit dem Zug mit. Diese Logistiksysteme hat man zerstört, weil man alles privatisiert.

Ihr zweites Hauptthema für Oberösterreich?

Die Pflege. Der politische Mitbewerber will die Pflege den Frauen umhängen und das ohne Entgelt.

Wer ist der Mitbewerber?

Das sind alle anderen, aber in Wirklichkeit ist es die ÖVP. Sie machen Voodoo-Rechnungen. Sie hängen die Pflege der AUVA um und sagen, wir machen eine Pflegeversicherung, aber keiner zahlt Beiträge.

Bei einer Versicherung muss man Beiträge zahlen.

Aber die will keiner zahlen. Die ÖVP will ja die Beiträge bei der Unfallversicherung von 1,4 auf 1,2 Prozent reduzieren. Sie sollen sogar noch auf 0,8 Prozent sinken. Gleichzeitig sagt man, man will damit die Pflege auch noch finanzieren. Das heißt, dass die ÖVP die Last der Pflege den Frauen umhängen will. Der Tochter, der Schwiegertochter oder der Frau. Und das noch dazu ohne Geld, ohne sie zu bezahlen, ohne Ausbildung und ohne Unterstützung. Das wird dann in die schöne Formulierung gehüllt, die zu Pflegenden sollen in ihrem Umfeld bleiben können.

Soll die SPÖ nach der Wahl in eine Koalition eintreten?

Wenn sie so stark ist, dann natürlich ja.

Die Kritik an der rot-schwarzen Koalition lautete, sie sei eine Regierung des Stillstands gewesen.

Wenn ein Journalist alles aufschreibt, was unter Faymann-Mitterlehner und Kern-Mitterlehner gemacht worden ist und das mit dem von Türkis-Blau vergleicht, wird er sehen, dass das nicht stimmt. Ich habe beispielsweise als Sozialminister innerhalb von fünf Wochen eine Mindestpension von 1.000 Euro für jene eingeführt, die mindestens 30 Jahre gearbeitet haben.

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