Zwölf Wohnungen, eine große Familie
Der ersehnte Spatenstich für das Haus mit großem Garten und beneidenswerter Aussicht auf die Altstadt wurde vor wenigen Tagen gefeiert. 13 Erwachsene und neun Kinder haben zwei Jahre lang mit Profi-Planern am neuen Heim getüftelt. Im Stadtteil Zell in Waidhofen/Ybbs wird nun bis zum Sommer des nächsten Jahres das gemeinschaftliche Wohnprojekt des Vereins „GeWoZu“ errichtet. Ein weiteres Referenzprojekt für eine aufstrebende moderne und zukunftsträchtige Wohnform könnte in Niederösterreich entstehen.
Großteils, aber nicht nur junge Familien stecken hinter dem Projekt „Gemeinschaftlich Wohnen - das ist Zukunft“ (GeWoZu). In der Idee vergleichbar mit studentischen WG’s steckt aber hinter diesem Wohnbau weit mehr Planung und akribische Vorbereitung. Über allem steht eine ökologisch, nachhaltige und leistbare Wohnform, sagt Vereinssprecherin Barbara Moser. „Gerade in der jetzigen Zeit, wo wir alle mehr aufeinander angewiesen sind, ist das Wohnen mit gegenseitiger Unterstützung sicher optimal“, erklärt sie. Groß sei ihre Vorfreude, bald mit den beiden Kindern als Teil der Gemeinschaft einziehen zu können.
Gemeinschaftsräume
Vier der zwölf Wohnungen sind derzeit noch frei. Doch wer Teil der Hausgemeinschaft werden will, muss sich bewerben und vorbereiten. Die Vereinsmitglieder entscheiden, ob neue Kandidaten in die Nachbarschaftsgruppe passen oder nicht. Wer mit dabei ist, bekommt allein durch die Architektur des Hauses die Chance auf Kontakt und Geselligkeit mit den Nachbarn.
„Jede Wohnung ist natürlich mit Küche und Bad ausgestattet. Doch diese Räume sind eher kompakt ausgestattet. Dafür gibt es großzügige Gemeinschaftsräume“, erklärt Moser das Konzept. Eine Großküche samt Essbereich, ein Büro, ein Multifunktionsraum samt Dachterrasse, eine Werkstatt, eine Waschküche sowie ein Spielezimmer und die Garage werden miteinander genutzt. „Auch den alten Obstgarten werden wir gemeinsam bewirtschaften“, erklärt Moser.
Vermögenspool
Auch finanziert wird der Bau über ein alternatives Konzept. Eigenmittel der Bewohner werden durch einen Vermögenspool, über den Anleger wertgesicherte Anteile am Projekt erwerben, ergänzt. Für Alle leistbare Monatsmieten seien kalkuliert, schildert die künftige Mieterin Moser. Anleihengeber hätten jederzeit das Recht, ihr einbezahltes Geld zuzüglich des Verbraucherpreisindexes ausbezahlt zu bekommen.
Derartige alternative gemeinschaftliche Wohngemeinschaften seien im Kommen, versichert Constanze Weiser. Als Obfrau der „Initiative gemeinsam Wohnen & Bauen“ betreut die Wiener Architektin das Geschehen seit Jahren. Während es in Wien bereits weit mehr als zwei Dutzend dieser Gemeinschaften, mit den prominentsten Beispielen in der Seestadt Aspern gibt, sind sie in den Bundesländern noch rar. „Das liegt an der Verteilung der Wohnbauförderung. In Niederösterreich etwa ist diese sehr auf genossenschaftliche Wohnbauträger konzentriert“, klärt die Expertin auf.
„Individuelle Wohnformen liegen im Trend. Die Rolle der früheren Großfamilie erfüllt heute das gemeinschaftliche Wohnen“, vergleicht Weiser. Versorgung bei Krankheit oder auch die Kinderbetreuung für berufstätige Nachbarn, dazu gesellige Freizeitgestaltung seien große Vorteile. Weiser: „Eine Videokonferenz unter bestehenden Initiativen über die Erfahrungen mit Covid-19 hat das Prinzip mit vielen wirklich positiven Beispielen voll bestätigt“.
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