Wirtschaft in Niederösterreich: Durchschnitt muss kein Nachteil sein
Am kommenden Sonntag wählt Niederösterreich. Wirtschaftlich hat das Land in den vergangenen Jahrzehnten einen starken Wandlungsprozess erfahren. Vom Agrarland mit veralteter Staatsindustrie am „Eisernen Vorhang“ hin zu einem Standort mit hochspezialisierten Zentren. Wie aber steht das Land heute da?
Von der Struktur her bildet Niederösterreich den Durchschnitt der österreichischen Wirtschaft ab, sagt Peter Huber, Ökonom beim Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo. Tirol zum Beispiel lebt primär von Tourismus, Oberösterreich von der Industrie, Wien von der Dienstleistung.
Von allem etwas
Niederösterreich hingegen hat von allem etwas. Das hat laut Huber den Vorteil, dass man nicht so betroffen ist, wenn ein Sektor einbricht, wie etwa der Tourismus während der Lockdowns.
So sank laut dem Wifo-Experten im Jahr 2020 die Beschäftigung in Niederösterreich nur um 0,6 Prozent – in Österreich im Schnitt um 2,0 Prozent. Nachteil als „Durchschnittsstandort“: Zieht ein Sektor nach oben, zieht man generell eben nicht so stark mit.
Breite Palette an Betrieben
Auch Thomas Haller, Österreich-Chef und Senior Partner beim weltweit tätigen deutschen Strategie-Consulter Simon-Kucher & Partners verweist auf die „Durchschnittsthese“. Als Beispiel nennt er die Arbeitslosigkeit, die im vergangenen Jahrzehnt immer leicht unter dem Bundesdurchschnitt lag.
Huber und Haller heben hervor, dass Niederösterreich – in den Wirtschaftszentren – eine gute Infrastruktur hat sowie über eine breite Palette an Unternehmen in nahezu allen Wirtschaftsbereichen und eine vielfältige Ausbildungsstruktur in den Betrieben, Schulen und Fachhochschulen verfügt.
Zudem orte man eine gute Förderlandschaft. Konkret hat die niederösterreichische Wirtschaft viele High-Tech-Betriebe, Logistikunternehmen und Autozulieferer. 99,8 Prozent der Unternehmen sind Klein- und Mittelbetriebe oder Ein-Personen-Unternehmen.
Die Wirtschaftsleistung lag zuletzt bei 65 Milliarden Euro. Rund jeder zweite Euro wird via Export im Ausland verdient. Haller stellt dem Niederösterreich-Export ein gutes Zeugnis aus. Denn im Bundesländervergleich rangierte Niederösterreich im Jahr 2021 laut Statista mit einem Anteil von 14,9 Prozent an den Gesamtexporten an dritter Stelle nach Oberösterreich (25,8%) und der Steiermark (15,6%).
Strategie Technopole
Das hängt nicht nur aber auch mit den sogenannten Technopolen zusammen. Huber vom Wifo beurteilt diese Standorte mit Forschungsinstituten, Ausbildungseinrichtungen und Unternehmen, alle vernetzt unter einem Dach, als strategisch gut. Solche Technopole gibt es in Krems, Wieselburg, Wr. Neustadt und Tulln. Im Tourismus macht Niederösterreich laut Huber das Beste aus den bestehenden Möglichkeiten. „Man setzt auf den Ausflugstourismus. Das ist ein wichtiger Faktor.“
Bemerkenswert findet Huber, dass in Niederösterreich das Thema Digitalisierung immer am Radar sei. „Niederösterreich wird nie ein Silicon Valley werden“, aber die Wirtschaftspolitik sei sich der Brisanz des Themas bewusst.
Wo Licht, da Schatten
Die Quote für Forschung und Entwicklung ist in Niederösterreich unterdurchschnittlich zu Gesamt-Österreich. Huber verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass viel Forschung in den Betrieben selbst betrieben werde.
Auch ist Niederösterreich ein Land mit sehr großen Unterschieden. Im sogenannten Speckgürtel rund um Wien wohnen laut Statistik die Bestverdiener Österreichs – einzelne Gebiete im Wald- und Weinviertel sind hingegen Abwanderungsregionen.
In puncto BIP pro Kopf wirkt noch nach, dass das Land eben lange Grenzland zum Ostblock war. 2021 betrug laut Statista das BIP pro Kopf 37.500 Euro. Der Bundesschnitt lag bei 45.000 Euro. Haller von Simon-Kucher: „Anders ausgedrückt kann man auch sagen, dass Niederösterreich 2021 auf dem BIP pro Kopf-Niveau des Jahres 2012 in Österreich lag. Da gibt es also Luft nach oben für die niederösterreichische Wirtschaftsleistung.“
"Solider Standort"
Und was ist die stärkste Herausforderung? Nun: Man legt bei den Zukunftsthemen den Fokus „mit viel Fantasie“ sehr stark auf die prosperierenden wirtschaftlichen Zentren, wie Huber ausführt. Entscheidend werde für die Zukunft sein, wie man die Balance zu anderen benachteiligten Regionen findet.
Fazit für Haller und Huber: Niederösterreich sei relativ krisenfest. In Summe sei das Land „ein solider Wirtschaftsstandort“ .
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