Mehr Hilfe für Opfer von Verbrechen
Es war das schlimmste Erlebnis ihres Lebens. Ende August war die 72-jährige Ulrike P. vor ihrem Häuschen bei Strengberg im Bezirk Amstetten von der mittlerweile gefasssten "Froschbande" brutal überfallen worden. An den massiven Verletzungen leidet die resolute Frau noch immer. Mit ein Grund, warum sie sich jetzt nach einigem Zögern von der Opferhilfsorganisation "Weisser Ring" unterstützen lassen will.
Nachwehen
"Bei einer Computertomografie sind zwei Blutgerinnsel im Kopf entdeckt worden. Ich leide an Übelkeit und Schwindelanfällen", berichtet P. Sie und die Ärzte hoffen, dass sich die Einblutungen doch noch auflösen und keine Operation notwendig ist. Aufgrund dieser Umstände will die Pensionistin das Angebot des "Weissen Rings" auf Hilfe annehmen. Dessen Präsident Udo Jesionek war durch einen KURIER-Bericht auf das Überfallopfer aufmerksam geworden.
Menschen, die Opfer von Kriminellen werden, stünde umfassende Hilfe zu. Trotzdem würden sich viele scheuen, sie zu nutzen, erklärt Jesionek. Die Kontaktaufnahme zwischen Geschädigten und Opferhilfe müsse daher verpflichtend organisiert werden. "Bei häuslicher Gewalt werden die Gewaltschutzzentren automatisch von der Polizei eingebunden. Das ist bei anderen Verbrechen nicht so", sagt Jesionek. Eine neue EU-Richtlinie, die bis Ende November umgesetzt werden muss, soll dieses Manko beheben. Darin wird die Polizei zur besseren Kooperation mit Opfervereinen verpflichtet.
Ulrike P. fühlte sich von den Kriminalisten gut betreut. Schwiegertochter und Polizisten hätten sie auch über den "Weissen Ring" informiert, erzählt sie. Doch den notwendigen Antrag auf Hilfe stellte sie bislang nicht.
Information fehlt
Vor allem ältere Menschen zeigten oft Scheu davor, sich helfen zu lassen, meint Jesionek. Ein Trauma könne schnell auch als Geisteskrankheit ausgelegt werden, so der Jurist. Oft fehle es an der nötigen Information. Jüngere Leute würden Hilfe eher in Anspruch nehmen und recherchieren im Internet auch selbst.
Vor allem der Rechtsanspruch auf eine professionelle Prozessbegleitung samt Anwalt und Expertenberatung ist oft völlig unbekannt, stellt aber enorme Erleichter-ungen für die Opfer dar. Das gesetzlich definierte Hilfspaket reicht vom Schmerzensgeld über psychologische Betreuung bis zum Ersatz einer beim Überfall zerbrochenen Brille.
Weit mehr als nur die Brille ist im Juli im Haus von Martha Postl in Puchberg am Schneeberg zu Bruch gegangen. Mehrere Männer der rumänischen "Froschbande" sind nachts im Schlaf über die 69-Jährige hergefallen. Die Pensionistin wurde schwer malträtiert. Dass sie einen epileptischen Anfall vortäuschte, rettete ihr vermutlich das Leben. Über Rechtsansprüche hat sich Martha Postl zunächst keine Gedanken gemacht: "Ich war froh, wenn ich schlafen konnte. Ich habe ein viel dünneres Nervenkostüm, bin hektischer und habe viel Gewicht verloren". Erst nach Beratung durch den "Weissen Ring" nimmt die Pensionistin mit Hilfe eines Anwalts rechtliche Hilfe in Anspruch. "Auch psychologische Betreuung wurde mir angeboten. Aber das will ich nicht", so Postl. Dass die Bande in Bayern ein Opfer zu Tode geprügelt hat, macht die Sache für die 69-Jährige noch um einiges schwerer. Ihr Haus hat sie mit Hilfe der Kinder zu einer Festung umbauen lassen – Alarmanlage, Gitter vor den Fenstern und ein Wachhund erhöhen die Sicherheit.
Die Unterstützung von Bürgern, die durch Straftaten geschädigt wurden, ist in Österreich im Verbrechensopfergesetz geregelt. Bei schweren Körperverletzungen beträgt ein sofortiger Schmerzensgeldvorschuss 2000 Euro. Egal, ob der Täter schon gefasst ist oder nicht.
Auch eine kostenlose juristische Prozessbegleitung, psychologische Beratung bis zur Absicherung des Zuhauses, um Opfern das Sicherheitsgefühl zurückzugeben, sind vorgesehen. 2014 wurden vom „Weissen Ring“ 2164 neue Opferhilfeanträge bearbeitet. Die Organisation betreut im Auftrag des Justizministeriums auch den rund um die Uhr erreichbaren Opfernotruf unter 0800/112 112.
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