Wachsoldat erschossen: Es war Notwehr und kein Mord

Wachsoldat erschossen: Es war Notwehr und kein Mord
Schießgutachten bestätigt Version des Vorgesetzten. Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt hat das Verfahren gegen den Vizeleutnant eingestellt.

Der tödliche Zwischenfall in der Jagdkommandokaserne in Wiener Neustadt vom 6. Jänner gilt als geklärt. Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt hat das Verfahren wegen Mordverdachts gegen den 54-jährigen Vizeleutnant eingestellt, erklärt die Sprecherin Silke Pernsteiner.

Laut Pernsteiner bestätigen die bisherigen Ermittlungen und final das Schießgutachten des Bundeskriminalamtes die Aussagen des diensthabenden OvT (Offizier vom Tag). Der Vorgesetzte hat in reiner Notwehr auf den 20-jährigen Wachsoldaten Konstantin D. gefeuert und diesen dabei tödlich in die Brust getroffen.

Der Rekrut hatte im Zuge eines heftigen Streits den OvT mit dem Gewehrlauf niedergeschlagen und das Sturmgewehr auf ihn angelegt. Der Vizeleutnant ging zu Boden. Als der 20-jährige Rekrut versuchte, ihm die Dienstpistole 80 (Glock 17) zu entreißen, habe der Vizeleutnant abgedrückt. Das deckt sich mit dem Schießgutachten und dem Obduktionsergebnis, bestätigt Pernsteiner auf Anfrage.

Wachsoldat erschossen: Es war Notwehr und kein Mord

Tatort am 6. Jänner 2023

Drei Schüsse wurden laut dem Gutachten abgefeuert, einer traf den Wachsoldaten tödlich in die Lunge. Laut Gerichtsmediziner Wolfgang Denk verlief der Schusskanal von unten in einem etwa 45 Grad aufsteigenden Winkel. Wie die Rekonstruktion des Tatherganges ergab, erfolgte die Schussabgabe "gegen den stehenden Rekruten aus einer am Boden liegenden Position“.

Erinnerungslücken durch Trauma

Auch für ein bisheriges Rätsel hat das Schießgutachten Lösungen parat. Der 54-jährige OvT hat in den Einvernahmen nur von einem einzigen abgegebenen Schuss gesprochen, obwohl es in Wirklichkeit drei Schüsse waren. In dem Kampf um Leben und Tod wurde im Handgemenge der Abzug mehrmals betätigt, so die Expertise. Die Wahrnehmung in dieser Ausnahmesituation könne eine andere gewesen sein. "Dies ist ein häufig beobachtetes Phänomen bei solchen traumatischen Ereignissen“, erklärt ein Mordermittler des niederösterreichischen Landeskriminalamtes.

Wachsoldat erschossen: Es war Notwehr und kein Mord

Offen bleibt auch für die Angehörigen des Rekruten die quälende Frage, aus welchen Gründen der Wachsoldat so aggressiv auf seine Kameraden und den Vorgesetzten losgegangen ist.

Der Sachverständige für Chemie, Günter Paul Gmeiner, hat bei dem 20-Jährigen zwar Rückstände von THC (Cannabis), MDMA (Ecstasy) und Trazodon (Antidepressiva) nachgewiesen. Allerdings in so geringer Konzentration, dass er am Tatmorgen des 6. Jänner nicht davon beeinträchtigt gewesen sein konnte, meint der Sachverständige.

Notwehr war gerechtfertigt

Die Staatsanwaltschaft hat laut Silke Pernsteiner im Zuge des Verfahrens ebenso überprüft, ob mit den Schüssen eine Notwehr-Überschreitung in dem Fall vorliegt. Auch dies war laut Anklagebehörde nicht der Fall. Damit ist der Akt auch final geschlossen.

Der Vizeleutnant ist bereits wieder in der Flugfeldkaserne im Dienst. Disziplinarverfahren wurde keines gegen ihn eingeleitet, heißt es aus dem Verteidigungsministerium. Für den Vizeleutnant aus dem Burgenland war es nicht die erste lebensgefährliche Situation in der Kaserne. Der Berufssoldat des Jagdkommando war auch 2019 der diensthabende OvT, als zwei scharf abgerichtete Militärhunde einen 31-jährigen Elitesoldaten in der Kaserne anfielen und töteten.

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