Vor wenigen Tagen, am 13. November, jährte sich der Tod von Dominik R. zum ersten Mal. Der damals 31-jährige Jagdkommando-Soldat wurde, wie berichtet, in der Flugfeldkaserne in Wiener Neustadt (NÖ) von zwei Belgischen Malinois-Militärhunden angefallen und getötet.
Seither wird von Seiten der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt gegen den für die beiden Tiere verantwortlichen Hundeführer Stefan H. sowie gegen das Bundesheer wegen des Verdachts der grob fahrlässigen Tötung sowie Gefährdung der körperlichen Sicherheit ermittelt. Ein Gutachten soll diese Frage klären.
Zwölf Monate nach dem Zwischenfall liegt die 28 Seiten starke Sachverständigen-Expertise der deutschen Oberstabsveterinär- und Fachtierärztin für Tierverhalten, Esther Schalke, dem KURIER vor. Laut dem Gutachten trifft aber weder den Kollegen des Opfers, noch das Heer Schuld an dem tödlichen Zwischenfall.
Vielmehr kommt die gerichtlich beeidete Sachverständige zu dem Schluss, dass Dominik R. beim Ausführen der beiden scharfen Hunde ein zu großes Sicherheitsrisiko eingegangen ist. „Es ist nicht nachzuvollziehen, warum sich Oberwachtmeister Dominik R. trotz seiner Ausbildung für den Freilauf der Hunde zur gleichen Zeit und ohne Hilfsmittel entschloss“, so Schalke.
Ohne Leine
Den Erhebungen nach ließ der 31-jährige Hundeführer beide Malinois ohne Leine und Halsband frei laufen. „Auf Grund seiner Ausbildung hätte er wissen müssen, dass dies ein erhöhtes Gefahrenpotenzial beinhaltet“, heißt es im Gutachten weiter. Auf Videos vom Training ist ersichtlich, dass Dominik R. den Diensthund Hati nur mit der Leine korrigieren konnte.
Während sich die Truppe am 13. November 2019 auf einer Übung befand, war Hundeführer Dominik R. für die Betreuung der beiden Hunde seines Kameraden in der Kaserne eingeteilt. Der sieben Monate alte Welpe Ragna sollte wenig später wegen einer Beißhemmung dem Züchter zurückgegeben werden.
Der 28 Monate alte Hati war hingegen ein ausgebildeter „Schutzhund“, der an Dominik R. gewöhnt war. Kurz nachdem der 31-Jährige die beiden Hunde an dem Tag aus dem Zwinger der Kaserne gelassen hatte, fielen die Tiere direkt neben dem Zaun über den Hundeführer her. Laut Obduktions- und DNA-Gutachten wurde der Soldat von beiden Tieren totgebissen.
Anwalt sieht Entlastung
Die Staatsanwaltschaft wollte von der Gutachterin eine Expertise, ob beim Training mit den Hunden grobe Fehler passiert sind. Auch das wird von Schalke entschieden verneint. Im Gegenteil: Nachdem Hati bereits im Februar und August 2019 nach einem Einsatztraining jenen Ausbilder in Hand und Bein zwickte, der zuvor einen Feinddarsteller mimte, wurde umgehend darauf reagiert.
Dominik R. wurde als Bezugsperson für den Schutzhund bewusst nicht als Feinddarsteller eingesetzt. „Dies spricht für einen bedachten und sorgfältigen Umgang des Beschuldigten mit seinen Hunden. Es fand zu keinem Zeitpunkt eine Situation statt, die darauf schließen ließe, dass es zu einer Gefährdung des Dominik R. durch die Hunde kommen könnte“, so Schalke.
Der Rechtsanwalt des Beschuldigten, Christian Stocker, sieht sich durch das Gutachten bestätigt. „Damit ist ganz klar ersichtlich, dass meinem Mandanten kein strafrechtlich relevantes Verhalten anzulasten ist. Er hat alle Sorgfaltspflichten eingehalten und sich nichts zu Schulden kommen lassen. Es war schon bis zum Gutachten nicht ersichtlich, welcher Vorwurf ihm überhaupt gemacht werden kann“, so Stocker. Er erwartet eine baldige Einstellung des Verfahrens.
Das Bundesheer hat nach dem tödlichen Zwischenfall eine eigene Untersuchungskommission eingesetzt und Konsequenzen aus dem Zwischenfall gezogen. Beide Hunde befinden sich seit Mai 2020 nicht mehr beim Jagdkommando. Nachdem die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt die Belgischen Schäferhunde zur Gutachtenerstellung nicht mehr benötigte, wurde der Junghund Ragna dem Züchter und Eigentümer zurückgegeben.
„Im Fall des Militärhundes Hati hat das Ministerium angeordnet, die schmerzlose Tötung durch einen Tierarzt durchführen zu lassen“, so Heeressprecher Michael Bauer. Bereits unmittelbar nach dem Vorfall hat das Jagdkommando über die Vorschriftenlage hinausgehende zusätzliche Maßnahmen gesetzt. So muss sich zum Beispiel ein Hundeführer, der sich zum Hundezwinger zur Betreuung eines Diensthundes von einem Kollegen begibt, beim Offizier vom Tag an- und abmelden. Weiters darf ein einzelner Hundeführer nicht mehr mehrere Tiere gleichzeitig aus dem Zwinger holen.
Der Neubau einer Diensthundezwingeranlage in der Flugfeldkaserne ist bereits in Auftrag gegeben. „Der Beginn der Bauarbeiten war für Oktober 2020 geplant, musste jedoch Corona-bedingt auf Anfang 2021 verschoben werden. Dabei werden auch Erkenntnisse aus dem Gutachten einfließen“, so Bauer. Die Sachverständige Esther Schalke empfiehlt zum Beispiel ein Alarmsystem für Notfälle sowie eine Videoüberwachung.
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