Stiefvater des erschossenen Soldaten: "Es gab keinerlei Anzeichen für Ärger"
Es ist die Frage nach dem Warum, die quälender nicht sein könnte. Ein 20-jähriger Bursche, als „gutmütig, lammfromm, hilfsbereit und wohlbehütet“ beschrieben, soll in der Flugfeldkaserne in Wiener Neustadt Kameraden und einen Vorgesetzten mit dem Sturmgewehr derart attackiert haben, dass ein Unteroffizier zur Waffe griff und seinen Aussagen zufolge „in Notwehr“ schoss. Konstantin D. starb am Dreikönigstag gegen 7 Uhr Früh an einem Lungendurchschuss.
WhatsApp an Schwester
Wenige Minuten vor der Tragödie hatte der Grundwehrdiener seiner jüngeren Schwester Valerie um 6.33 Uhr noch eine WhatsApp geschrieben. „Wollen wir heute was Essen gehen?“ Die 17-Jährige blickte immer auf den älteren Bruder auf, er war ihr großes Vorbild.
„Das passt doch alles nicht zusammen. Es gab keinerlei Anzeichen für irgendeinen Ärger“, erklärt Michael Dollischal, der Stiefvater des getöteten Rekruten. Kurz nach der WhatsApp soll der 20-Jährige im Wachzimmer ausgerastet sein und den 54-jährigen Unteroffizier angegriffen und geschlagen haben – aus heiterem Himmel. „Wir haben keine Erklärung, was passiert sein muss, damit aus diesem unauffälligen, schüchternen Buben eine solche Kampfmaschine wird, wie es jetzt über ihn heißt. Für alle ist es unerklärlich“, sagt Dollischal, der für die Mutter und den Vater des 20-Jährigen spricht. Die leiblichen Eltern seien dazu derzeit nicht in der Lage.
In seinem ganzen Leben habe Konstantin keinen nennenswerten Konflikt gehabt, Gewalt sei für ihn nie Thema gewesen. Die große Leidenschaft galt dem Sport. Wie sein Vater galt Konstantin als ausgezeichneter Tennisspieler, der für den UTC Krumbach auch die Meisterschaft bestritt. „Er war sanftmütig, hat nie einen Schläger aus Ärger geschmissen“, erzählt der Stiefvater.
Gelebt hat er zuletzt wechselweise bei der Mutter im Bezirk Wiener Neustadt und seinem Vater in Wien, wo er im Juni in der Vienna Business School maturierte. „Er hat sich viele Gedanken dazu gemacht, ob er lieber Zivildienst oder den Präsenzdienst machen soll. Wegen der kürzeren Dauer hat er sich schließlich dann aber für das Heer entschieden“, sagt Dollischal. Obwohl Konstantin lieber als Ordonnanz in der Militärakademie in Wiener Neustadt seinen Dienst geleistet hätte, kam er zur Wache am Flugfeld.
Geladene Waffen
Dollischal hat als erfahrener Pädagoge, ehemaliger Schuldirektor und Manager der nö. Bildungsdirektion keine Freude damit, dass beim Bundesheer 19- und 20-jährigen „Kindern“ eine geladene Waffe in die Hand gedrückt wird. Seine Skepsis habe sich in der Tragödie bestätigt. Grundsätzlich habe „Konsti nicht mit dem Heer gehadert“, sagt Dollischal. „Er war immer sehr gelassen“. 18 Wachdienste, so viele hätte er noch gehabt.
Warum an jenem Morgen die Situation derart aus dem Ruder lief, ist für Familie und Freunde unerklärlich. Das Blut des Toten wird nun von einem Gutachter auf Tabletten, Alkohol und Drogen untersucht. Anzeichen, dass Konstantin etwas genommen hätte, gab es zuvor laut Dollischal nicht im Geringsten. Das Ergebnis des toxikologischen Befundes wird in etwa drei Wochen erwartet.
Auto des Toten
Am Dienstag hatte Dollischal einen schweren Gang anzutreten. Er musste den Tatort betreten, um das Auto seines Stiefsohnes aus der Kaserne zu holen. Dabei kam es auch zu Begegnungen mit Soldaten, die mit dem 20-Jährigen Dienst hatten. Auch sie seien fassungslos, „weil sie Konsti zuvor als hilfsbereiten, freundlichen jungen Mann kennengelernt haben“, sagt Dollischal.
Kommentare