Wachausperre: Felssprengung "geheim gehalten"

Wachausperre: Felssprengung "geheim gehalten"
Damit Neugierige fern bleiben, wird eine Hauptverkehrsader ohne Warnung gesperrt. Das ärgert viele Wachauer.

Ich hätte das schon gerne gewusst. Ich muss morgen  um diese Zeit zu einem Termin fahren", sagt Tourismusunternehmer Martin Wicke aus Wösendorf. Anlass der Kritik: Wachaubundesstraße und Schifffahrt werden Mittwochabend bei Dürnstein gesperrt. Grund ist eine neue, besonders große Sprengung um 19 Uhr an der mittlerweile für Steinschlag berüchtigten Felswand. Diesmal werden sogar Dutzende Häuser evakuiert. Aber offizielle Infos gibt es keine.

"Wir wollen keinen großen Wirbel machen", erklärt Bezirkshauptfrau Elfriede Mayrhofer knapp. "Damit keine Massen von Schaulustigen angelockt werden", meint der Bürgermeister von Dürnstein, Johann Schmidl.

Er hat  am Montag  selber Zettel ausgetragen, in denen alle Bewohner seiner Stadt aufgefordert werden, ihre Häuser zu räumen und Autos in Sicherheit zu bringen – soweit sie westlich des Schlosshotels wohnen. Dessen Chef, Christian Thiery, bedauert,  keine Information  erhalten zu haben.

Nicht optimal

Das gilt auch für Alexander Heller, stellvertretender Obmann des Tourismusvereins Weißenkirchen: "Optimal ist das nicht. Wir hätten Gäste informieren, die Rollfähre als Ausweichmöglichkeit abends  länger  fahren lassen können."

Autos werden ab 18 Uhr östlich des Dürnsteiner Tunnels angehalten. Westlich wird der Straßenverkehr nahe dem Reiterstandbild gestoppt.  Dauer der Sperre: eine Stunde.  Inoffiziell hört man, dass es auch länger dauern kann. Umleitung sei keine vorgesehen.

"Ich hab’ keine Angst, wir sind die Sprengungen inzwischen gewöhnt. Aber meine Papiere nehme ich zur Sicherheit doch mit", meint Renate Epple, die auch ihr Haus verlassen muss.

Gewöhnt sind die Explosionen auch die Bürger von Rossatz, das am Donauufer gegenüber liegt: "Oft kracht es, und man weiß nur, warum, weil man in Dürnstein den Staub sieht.   Information wäre gut. Aber viele Leute sind undiszipliniert. Bei uns reißen Radfahrer sogar Baustellensperren weg und fahren zwischen Baggern und Lastern durch."

Rückblick: Lockerer Fels sorgt für Unruhe

Eine Felswand bei Dürnstein im Bezirk Krems will nicht zur Ruhe kommen. Seit mindestens drei Jahren kämpfen Experten mit zahlreichen Steinschlägen und Abtragungsarbeiten.

Im Juli 2009 sorgte ein mächtiger Felssturz am westlichen Ortsende für Aufregung, weil große Brocken nicht nur Teile der Wachaubahn-Strecke verschütteten, sondern  auch auf der Bundesstraße B 3 einschlugen. Damals stand man vor einem großen Problem. Es galt nicht nur das Material – geschätzte 50.000 Kubikmeter – samt hausgroßen Brocken zu räumen und die Strecke wieder befahrbar zu machen, sondern auch die Sicherheit auf Dauer wieder herzustellen.

Im Herbst 2009 wurde ein gigantischer Schutzwall errichtet, der sowohl die Bahn und Straße als auch die benachbarten Wohnhäuser schützen soll. In den darauffolgenden Monaten kam es laufend zu kleineren Felsstürzen. Die letzten Abgänge waren im vergangenen Juni, bei denen sogar ein Bagger in die Tiefe gerissen wurde. Seither sind regelmäßig Sicherungs- und Abtragungsarbeiten im Gange.

Kommentar: Transparenz, bitte!

Das Dilemma der Behörden  ist schon verständlich: Entweder sie informieren und müssen mit unvernünftigen Menschen rechnen, die sich – trotz Sperren und Verbot – zu nahe an ein gefährliches Geschehen wagen. Oder sie verschweigen  ein Ereignis  und stecken dafür Kritik ein. Trotzdem: In einer Kommunikationsgesellschaft funktioniert Geheimhaltung kaum. Außerdem  kommt sie einer Entmündigung der Bürger gleich, denen man offenbar pauschal keine Disziplin zutraut. Freilich besteht immer das Risiko, dass Einzelne sich nicht an Sicherheitsvorschriften halten  und sich gefährden. Um jedes   Restrisiko durch Übermut  auszuschließen, müsste man  vieles unterlassen: Ehrliche Arbeit und Sport sollen statistisch gesehen am gefährlichsten sein.

Wäre es nicht viel eleganter, die Leute ans gegenüberliegende Donauufer zu schicken, damit sie das  Geschehen – vielleicht von einer Heurigenbank aus  – gefahrlos mitverfolgen können? Meine Bitte an Neugierige: Bleibt in sicherer Distanz, beweist Eure Vernunft. Justament.

Sie erreichen den Autor unter gilbert.weisbier@kurier.at

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