Unzufriedene Patienten treiben Kassenärzte in Privatordinationen
Neun Monate Wartezeit für einen Termin bei einem Facharzt im Bezirk Mödling. Es ist zweifellos ein Extremfall, den eine Betroffene dem KURIER schildert.
Dass die Situation grundsätzlich aber angespannt sei, berichtet auch SPÖ-Bezirksvorsitzender David Loretto: "In vielen persönlichen Gesprächen haben sich die größten Hindernisse für eine funktionierende, wohnortnahe Gesundheitsversorgung gezeigt." Trotz hoher Ärztedichte im Bezirk Mödling seien regelmäßig lange Wartezeiten für Facharzttermine in Kauf zu nehmen, sagt er.
"Frage des Geldes"
Wesentlichstes Problem der Gesundheitsversorgung in Mödling sei: "Für alle kostenlos und rasch verfügbar!“ Loretto meint, dass durch den geringen Anteil an Kassen-Fachärzten "Gesundheit faktisch eine Frage des Geldes geworden" sei. Besonders Kinder- und Hautärzte, Urologen und Lungenfachärzte mit Kassenvertrag wären gefragt.
"Höchst alarmierend ist, dass sich das Wartezeit-Problem mittlerweile sogar bei Wahlärzten zeigt", sagt der SP-Bezirksvorsitzende. "Zustände, die schleunigst repariert werden müssen. Wenn es um die Gesundheit geht, muss die E-Card genügen, und zwar ohne Kreditkarte.“
"Nur eine Kassenstelle unbesetzt"
Kritik, die Max Wudy, Vizepräsident der Ärztekammer für Niederösterreich, relativiert. Seitens der Kammer weise man seit Jahren auf den Ärztemangel hin, bestätigt er. Während er in einigen Fächern "leider mehr als besorgniserregend" sei und sich "daraus in vielen Gegenden eine prekäre Situation" ergebe, weise hingegen gerade der Bezirk Mödling eine "vergleichsweise gute bis sehr gute Versorgung" auf, betont Wudy. "Im gesamten Bezirk ist lediglich eine Kassenstelle, und zwar für Kinder- und Jugendheilkunde, unbesetzt. Allgemeinmedizinische Kassenstellen sind alle besetzt."
Besonders viele ausgeschriebene Kassenstellen gibt es in Niederösterreich derzeit in den Fächern Haut- und Geschlechtskrankheiten (12 Stellen), gefolgt von Frauenheilkunde und Geburtshilfe (8 Stellen) und Kinder- und Jugendheilkunde (6 Stellen).
Und Wudy erklärt: "Der Ärztemangel hat vielschichtige Gründe." Einer davon sei die Tatsache, dass Kassenärzte unter enormem Druck stünden: "Versuchen sie, möglichst alle Patienten ohne allzu lange Wartezeiten zu behandeln, sind sie häufig mit dem Vorwurf der Drei-Minuten-Medizin konfrontiert. Nehmen sie sich ausgiebig Zeit, kommt es zu überlangen Wartezeiten, im Extremfall müssen manchmal sogar Patienten abgewiesen werden. Ganz gleich für welche Variante sich Kassenärzte entscheiden, der Unmut in der Bevölkerung ist in jedem Fall groß."
Verträge werden zurückgelegt
Dies führe zu verbalen Angriffen gegenüber dem Gesundheitspersonal und der Ärzteschaft in den Ordinationen. Und der Kammer-Vizepräsident warnt: "Werden der Druck und die Angriffe zu massiv, kann es vorkommen, dass in letzter Konsequenz zum Selbstschutz der Kassenvertrag zurückgelegt und die Ordination als Privatordination weitergeführt wird." Der aktuelle Trend könne "leider dazu führen, dass mit weiteren Kündigungen von Kassenverträgen gerechnet werden muss."
Aber auch eine weitere Entwicklung wirke sich negativ auf die Besetzung von Kassenstellen aus, betont Max Wudy: "Es gibt in letzter Zeit verstärkt politische Bestrebungen, Privatärzte in die Kassenmedizin zu drängen. Darunter leidet das Image der Kassenmedizin massiv und es entsteht in der Bevölkerung zu Unrecht bisweilen der Eindruck, die Privatmedizin wäre die qualitativ bessere Alternative."
"Mehr Wertschätzung"
Der Vizepräsident ersucht daher "mit Nachdruck, besonders jungen Ärzten gegenüber, die gerade erst einen Kassenvertrag übernommen haben, mehr Wertschätzung entgegen zu bringen" Denn: "Je weniger Stellen besetzt sind, desto größer sind der Druck und die Arbeitsbelastung. Das ist eine explosive Mischung."
Markus Bammer, Kinderarzt im Bezirk Mödling, bestätigt: "Es ist schon so, dass einige Fachärzte hier keine neuen Patienten mehr annehmen und es zu langen Wartezeiten kommt. Und weil im Wiener Speckgürtel viele Patienten zu Wahlärzten gehen, verlängern sich auch dort die Wartezeiten."
Kinderarzt-Stelle unbesetzt
Dass im Bezirk Mödling eine Kinderarzt-Stelle schon seit vielen Jahren unbesetzt ist, wundert Bammer nicht: "Die Vergütung ist im Bereich der Kinderärzte eher schlecht, weshalb man eine hohe Patientenfrequenz benötigt, was natürlich kein angenehmes Arbeiten ermöglicht. Leider ist man seitens der Gesundheitskasse nicht bereit, hier die Vergütungen anzupassen."
Kommentare