"Neue Prohibition": Unternehmer fürchtet Alkoholverbot durch EU

Unternehmer Wilhelm Gajdosik: sein Lager ist gefüllt mit Reinigungsmitteln, die Ethanol enthalten.
"Das wäre fast so etwas wie eine neue Prohibition", warnt Wilhelm Gajdosik. Der Wiener Neudorfer handelt mit seinem Unternehmen WigaChem mit Reinigungsmitteln für Industrie und Lebensmittelproduktion. Viele davon enthalten Ethanol, also reinen Alkohol, um Keime abzutöten. Doch nun steht Ethanol selbst kurz davor, von der EU als gesundheitsgefährdend eingestuft zu werden.
Damit würde eine Welle von Verboten ausgelöst, warnt Gajdosik. Bis hin zu einem möglichen generellen Alkoholverbot.
"Die EU prüft, ob Ethanol künftig offiziell als krebserregend und fortpflanzungsgefährdend gilt", erklärt der Unternehmer. "Die Grundlage dafür sind Studien zum Alkoholkonsum. Dass übermäßiges Trinken gesundheitsschädlich ist, steht außer Frage. Aber dieselben Daten könnten auch für Desinfektionsmittel, Kosmetik oder Reinigungsprodukte herangezogen werden."
Folgen für Spitäler und Gastronomie
Kritiker meinen, diese Einstufung gehe am Ziel des Schutzes von Mensch und Umwelt vorbei, da es sich um völlig andere Formen der Belastung handelt, nicht um das Trinken großer Mengen, sondern um Hautkontakt oder das Einatmen kleiner Mengen. "Sollte die Einstufung kommen, könnten ethanolhaltige Desinfektionsmittel vom Markt verschwinden oder nur noch eingeschränkt verfügbar sein", fürchtet Gajdosik. "Das hätte Folgen für Spitäler, Pflegeeinrichtungen, Gastronomie und die Lebensmittelproduktion, wo diese Mittel seit Jahrzehnten unverzichtbar sind."
Ethanol ist auch ein zentraler Rohstoff in der Kosmetik, in Körperpflegeprodukten, in Parfüms und in zahlreichen technischen Anwendungen. "Eine neue Gefahreneinstufung würde Betriebe vor enorme Kosten und Unsicherheiten stellen", so Gajdosik. Strengere Schutzauflagen könnten den Einsatz einschränken. So wäre etwa der Umgang mit ethanolhaltigen Produkten für Schwangere oder Jugendliche in Betrieben möglicherweise nicht mehr erlaubt.
Entscheidung noch in diesem Jahr
Bis Ende 2025 soll die Entscheidung im Biozidverfahren - hier geht es um Desinfektionsmittel - fallen. Ende 2026 würde dann die mögliche Einstufung im Rahmen der EU Chemikalienverordnung erfolgen.
„Das Problem ist, dass für die Bewertung von Ethanol als Chemikalie Humandaten aus dem Konsum von Lebensmitteln herangezogen werden“, erklärt Experte Michael Wilz, vom deutschen Konzern Stockmeier Chemie. „Wir wissen natürlich, dass ein Säufer ein deutlich höheres Risiko hat, an Krebs zu erkranken. Auch Schwangere sollen keinen Alkohol trinken. Aber der Irrsinn ist, dass der Einsatz von Ethanol in Putz- und Desinfektionsmitteln auf Grund dieser Daten untersagt werden soll – obwohl niemand diese Produkte trinkt.“
"Bürokratiemonster"
Ausnahmeregelugen seien möglich, so Wilz. „Aber die müsste jedes Unternehmen dann für jedes Produkt beantragen. Das Bürokratiemonster, das hier erschaffen wird, ist ein absoluter Wahnsinn.“ Er befürchtet: „Das wird die Glaubwürdigkeit der Organe der EU weiter verschlechtern. Wenn aber erst einmal von einer europäischen Behörde offiziell festgestellt wird, dass Ethanol gesundheitsschädlich ist, dann steht das im direkten Widerspruch zum Lebensmittelrecht. Darin steht ganz klar: Es ist verboten, gesundheitsschädliche Lebensmittel in Verkehr zu bringen. Und das gilt natürlich dann auch für alle alkoholischen Getränke. Es ist doch unsinnig zu glauben, dass der Umgang mit Ethanol im Chemiebereich durch die Daten aus dem Lebensmittelbereich verboten wird und gleichzeitig dieses Verbot keine Auswirkungen auf den Lebensmittelbereich haben wird."
Aufzuhalten sei der Prozess aus seiner Sicht nur noch durch politische Eingriffe. „Denn die europäischen Regularien arbeiten jetzt automatisch. Die sind auf Spezialfälle nicht eingestellt - für Lebensmittel oder Reinigungsmittel. Es ist definitiv fünf vor zwölf. Die Dossiers über die Gesundheitsgefährdung liegen vor, normalerweise wird das dann von den Gremien und der Kommission nur noch abgenickt.“
Ärzte warnen
Auch Vertreter der Ärzteschaft haben bereits vor einem Ethanol-Verbot gewarnt. So spricht etwa die Österreichische Gesellschaft für Mikrobiologie und Präventivmedizin in einem veröffentlichten Positionspapier von einem "bedenklichen Verfahren zur Einstufung des Biozidwirkstoffs Ethanol" und einer "undifferenzierten Neueinstufung."
Auf höchster politischer Ebene wird um eine "faktenbasierte und pragmatische Regulierung" in Brüssel gerungen. Der zuständige EU-Kommissar Olivér Várhelyi wurde kontaktiert, er versprach, den Fall "mit höchster Priorität zu prüfen, um negative Folgen zu vermeiden".
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