Er galt als Schrecken aller Raser, Drängler, Blink- oder Gurtenmuffel und Handysünder. Mit der Laserpistole im Anschlag stand der Ordnungshüter oft gut versteckt im hohen Gras oder hinter Bäumen auf der Lauer. Damit soll er es zuletzt auf eine stattliche Rekordbilanz von mehr als 1.300 Organmandaten im Jahr geschafft haben. Kein anderer Polizeibeamter in Niederösterreich soll in solche Sphären vorgedrungen und so viele Verkehrssünder abgestraft haben, wie der 55-jährige Uniformierte aus dem Bezirk Wiener Neustadt.
Dienstrechtliche Konsequenzen
Damit ist es seit dieser Woche aber erstmals vorbei. Staatsanwaltschaft und die internen Ermittler des Bundesamtes zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung, kurz BAK, haben den „Musterschüler“ in Sachen Bußgeld-Einnahmen sprichwörtlich aus dem Verkehr gezogen. „Ich kann bestätigen dass es in dem Fall zu einer vorläufigen Suspendierung des Beamten gekommen ist. Derzeit wird die Sache straf- und dienstrechtlich geprüft“, erklärt der Sprecher der Landespolizeidirektion NÖ, Johann Baumschlager.
Ermittelt wird gegen den 55-Jährigen wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs. Er soll, vermutlich über mehrere Jahre, sich einen Teil der Einnahmen aus den Bußgeldern in die eigene Tasche gesteckt haben. Stimmt die wage Hochrechnung der BAK-Ermittler, geht es um Tausende Organmandate und somit um einen möglichen Schaden von über 100.000 Euro, heißt es aus Ermittlerkreisen.
Mehr Strafzettel als der Rest des Bezirks
Der Beamte war die vergangenen Jahre dafür bekannt, quasi im Alleingang in seinem Rayon Temposünder zur Strecke zu bringen. Er verteilte im Bezirk Wiener Neustadt alleine mehr Strafzettel, als alle anderen Polizeiinspektionen zusammen. Die BAK-Ermittler sind sich sicher, den Grund für das übereifrige Auftreten zu kennen.
Der Modus Operandi soll so ausgesehen haben, dass der Verdächtige Temposündern ein „Knöllchen“ mit beispielsweise 70 Euro Bußgeld ausstellte. Den Durchdruck am Block soll er mit einem Karton oder ähnlichem verhindert und am Durchschlag dann eine geringere Summe eingesetzt haben. Die Differenz, so der Vorwurf, habe der Polizist in seine Privattasche gesteckt. Die Manipulationen sollen sich ausschließlich auf Geschwindigkeitsdelikte bezogen haben, weil dort der Bußgeldkatalog einen Spielraum von 30 bis 70 Euro einräumt.
Autofahrer werden reihenweise befragt
Für gewöhnlich werden die Belege auf der Polizeidienststelle ein Jahr zur Kontrolle archiviert. In dem Fall dürften sie sogar länger zurückliegend aufliegen. Die BAK-Ermittler haben ordnerweise Durchschläge von den Organmandaten sichergestellt. Nun sollen die dazu gehörigen Autofahrer befragt werden, ob sie sich noch an die Strafhöhe erinnern können. Ob stichprobenartig oder in jedem einzelnen Fall, wird derzeit noch geprüft.
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