Sortenvielfalt sorgt für frühe Marillenernte in Niederösterreich
Von Anna Kindlmann und Teresa Sturm
2,5 Grad wärmer war es heuer im Frühling im Schnitt – im Vergleich zu den 20 Jahren davor. Das beeinflusst den Zeitpunkt der Marillenernte. Und auch der starke Niederschlag in den vergangenen Wochen sorgte dafür, dass viele Obstbauern schon Ende Mai die ersten Sorten in die Körbe packen konnten.
So auch der Oberkreuzstettener Helmut Zimmermann, dessen Familienbetrieb nach Niederösterreich, Salzburg, Wien und auch an den Handel verkauft. „Es war bei uns allen im Weinviertel heuer ähnlich. Die Bäume haben schon Ende Februar, Anfang März Blüten getragen“, erzählt Zimmermann im Gespräch mit dem KURIER.
Das Weinviertel sei grundsätzlich früher dran mit der Ernte der Marillen – denn die sonnenverwöhnte Gegend biete nicht nur sehr gute Reife-Bedingungen für Wein. Auch die Marillen fühlen sich hier sehr wohl. Mit circa 325 Hektar Anbaufläche (laut Statistik Austria) ist es das größte Marillen-Anbaugebiet im Land.
"Klima ist mitverantwortlich"
„Es ist sicher das Klima mitverantwortlich für die frühe Ernte, aber viele haben in den vergangenen Jahren begonnen, schon verschiedene Sorten anzubauen, um eine größere Vielfalt bieten zu können“, so Zimmermann.
Im Marchfeld seien die Bauern auch in einem Durchschnittsjahr früher dran als jene weiter westlich im Weinviertel, erzählt der Weinbauer aus Erfahrung. „Aber grundsätzlich ist es schon viel früher als in den Vorjahren.“
"Früheste Ernte seit 35 Jahren"
Das sieht auch der Obstbauer Robert Schreiber aus dem nördlichen Weinviertel so. Der Poysbacher betont: „Seit 35 Jahren ist das die früheste Ernte für uns.“
Vor zehn Jahren seinen in Niederösterreich bei Weitem nicht so viele Sorten an Marillen angeboten worden wie heute, sind sich beide Landwirte sicher.
Der frühe „Tsunami“ und andere Sorten
Die früheste Sorte „Tsunami“ stammt zum Beispiel eigentlich aus Frankreich. „Bei frühen Sorten laufen wir aber immer Gefahr, einen großen Teil wieder zu verlieren, wenn ein Frost kommt“, erklärt Schreiber. Im Vorjahr war der lange Frost im April ein Grund für einen größeren Ernteausfall in ganz Niederösterreich. „Auch in diesem Jahr haben wir 10 bis 20 Prozent vom Ertrag verloren wegen des Kälteeinbruches.“
"Sind auch bei Kirschen früher dran"
Wolfgang Lukas von der Abteilung Obstbau in der Landwirtschaftskammer geht ganz abseits der Sortenunterschiede von etwa ein bis zwei Wochen aus, die man heuer früher mit der Ernte beginnt. „Wir sind bedingt durch den Klimawandel früher dran – etwa auch bei den Kirschen, aber nicht so massiv, wie es jetzt manchen erscheint“, sagt Lukas.
Konsum: Laut Statistik Austria wurden im Wirtschaftsjahr 2022/’23 in Österreich durchschnittlich 2,1 Kilogramm Marillen pro Kopf konsumiert. Damit ist der Pro-Kopf-Konsum von Marillen gegenüber dem Vorjahr wieder gestiegen.
Anbaugebiet: In der Wachau stehen geschätzte 100.000 Marillenbäume. Rund 220 Landwirte bauen die Frucht in dieser Region noch an. Doppelt so viele Bäume stehen im Weinviertel, dem größten Anbaugebiet in Österreich. Auf weit mehr als 300 Hektar werden dort Marillen angebaut.
Die originale Wachauer Marille ist derzeit wiederum noch grün. Vor Anfang Juli rechnet etwa Melanie Braunschweig, Marillenbäuerin in Oberfucha, nicht mit einem Erntestart. In der Regel ist man hier vier Wochen nach dem Weinviertel dran.
Mehrere Monate lang süße Marillen
Die Sortenvielfalt macht es möglich, länger als über das normale Ernte-Fenster bis Mitte Juli Marillen naschen zu können. „Wir haben eigentlich bis Ende September süße Marillen auf den Bäumen“, sagt Robert Schreiber.
Auch Franz Reisinger, Obmann des Vereins Wachauer Marille, geht von einem Erntestart Anfang Juli aus. Das sei aber abhängig von der Lage. In manchen Gärten könne es sein, dass schon Ende Juni reife Früchte geerntet werden können. Man habe dann ein Erntefenster von etwa drei bis vier Wochen.
Wo man die Marillen verkosten kann
Wer sich von den unterschiedlichen Sorten selbst überzeugen möchte, hat übrigens mehrere Möglichkeiten, sich durchzukosten. Am 16. Juni wird zum Beispiel der Weinviertler Kirtag „Wein trifft Marille“ mit Blasmusik, Trachtenmodeschau, Traktorrundfahrten und Kinderprogramm gefeiert. Beim Marillenkuchen-Bewerb wiederum wird um die Wette gebacken.
In Krems verwandelt sich ohnehin bald die gesamte Innenstadt in ein Marillenparadies: Zwischen 4. bis 21. Juli geht das Fest „Alles Marille!“ über die Bühne. Musik, Kulinarik und Programm für die ganze Familie werden geboten.
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