Sobotka und Buchbinder: Politik trifft auf Kunst

Sobotka und Buchbinder: Politik trifft auf Kunst
Beim Festival Grafenegg trafen sich Rudolf Buchbinder und Wolfgang Sobotka, um über Kunst und Politik zu philosophieren.

KURIER: Der Umgang von Parteien miteinander oder mit dem Bürger wird gerne als politische Kultur bezeichnet. Herr Buchbinder, wie bewerten Sie die politische Kultur Österreichs heute?

Rudolf Buchbinder: Meine Generation war in der glücklichen Lage, Österreich wieder aufbauen zu können. Das macht stark, das verbindet – nicht nur die Menschen, sondern auch die Parteien hat das sehr aneinander gebunden. Früher waren die Parteien wahrscheinlich noch konträrer, aber die Verbundenheit war viel stärker. Das vermisse ich ein bisschen, das gemeinsame Arbeiten an Österreich. Wenn heute eine Partei etwas vorschlägt, wird es von einer anderen unterbunden. Das war in diesem Ausmaß, wie es in den letzten Jahren passierte, früher nicht der Fall. Diese Solidarität hat Österreich stark gemacht.

Stichwort Gemeinsamkeit. Herr Nationalratspräsident, Sie sind selbst leidenschaftlicher Musiker. Wie gefällt Ihnen aktuell die Tonalität im Hohen Haus?

Wolfgang  Sobotka: Ich möchte gern bei Buchbinder anschließen. Wir orten immer mehr – nicht nur als politisches, sondern auch als gesellschaftliches Phänomen –, dass einzelne Gruppen sehr viel einfordern für sich und das größere Gesamte nicht mehr in dem Fokus haben, den wir uns wünschen würden. Im Parlament werden die Töne schriller und lauter. Wenn jemand forte spielt, dann möchte der andere, weil er sich selbst nicht mehr hört, noch lauter spielen. In der Kammermusik zügelt die Partitur das Orchester. Vielleicht fehlt uns manchmal die richtige Partitur.

Und Sie akzeptieren diesen Umstand?

Sobotka: Nein. Ich möchte allen Parteien im Nationalrat den Willen attestieren, an der Würde des Hauses zu arbeiten, da nehme ich niemanden aus. Nur in der unmittelbaren Emotion wird das oft vergessen. Aber um Argumente zu untermauern, müssen sie weder laut sein, noch besonders grell sein. Es müsste mehr Balance herrschen, wir sind längst nicht da, wo ich uns gerne sehen würde.

Welche Bedeutung kommt Kunst und Kultur in politisch derart bewegten Zeiten zu?

Buchbinder: Gerade in Österreich ist es wichtig, dass die Politik sich überhaupt der Bedeutung von Kunst und Kultur und gerade der Musik bewusst wird. Sie wird bei uns manchmal nicht so behandelt, wie sie es verdienen würde. Das beginnt schon bei der Schulerziehung: Dass man in der siebenten Klasse Gymnasium zwischen Musik und Zeichnen wählen muss, in einem Kulturland wie Österreich, ist eine Tragödie. Wir müssen Kinder mit Kunst und Kultur konfrontieren. Ich sehe das im Osten, wo man nach wie vor Respekt vor der Kunst hat. Diesen Respekt haben wir bei uns im Westen leider ziemlich verloren.

Was ist zu tun?

Bei uns versperrt man Kindern den Weg in ihre ersten Konzerte. Sie werden mit Schulkonzerten abgespeist. Die sind sehr wichtig, aber man sollte versuchen, Kinder in das höhere Niveau hineinzubringen. Das machen wir zum Beispiel in Grafenegg. Die Jugendförderung bezieht sich bei uns nicht nur auf die Musiker (Grafenegg ist Heimat des European Union Youth Orchestra, Anm.). Wir denken auch an das Publikum. Junge Leute können bei uns große Orchester günstig live erleben.

Heute ist sehr oft von der Herausforderung für pluralistische Gesellschaften die Rede. Welche Aufgabe kommt unter diesem Aspekt der Kunst zu?

Sobotka: Ich glaube, eine ganz zentrale, in mehrfacher Hinsicht. Musik etwa, braucht keine Sprachübersetzung. Künstler ganz allgemein haben ein wesentlich höheres Sensorium für gesellschaftliche Entwicklungen. Nehmen sie nur die stilistischen Änderungen vor dem Ersten Weltkrieg. Wir müssen mehr hinhören auf die Kunst und ihr einigendes Band wahrnehmen. Das bedingt Respekt und wir brauchen Vermittler, denn es erschließt sich nicht alles von selbst. Die schulische Bildung ist da der zentrale Punkt.

Buchbinder: Warum sind Leute wie Brahms, Beethoven und auch Mozart damals nach Wien gekommen? Wegen der Multikultur. Was macht heute New York groß? Diese Multikultur haben wir vollkommen verlernt.

Braucht es also mehr Künstler in der Politik?

Buchbinder: Die Politik ist eine Kunst. Wenn man in der Politik ein gewisses Niveau erreichen will, muss man auch ein Künstler sein.

Das bedingt natürlich die Frage an die Politik: Was kann der Politiker vom Künstler lernen? Sobotka: Das Hinhören auf Kunst und Wissenschaft ist eines der wesentlichsten Dinge, das die Politik braucht. Darum pflegt das Parlament auch die Partnerschaften zum Beispiel mit der Akademie der Wissenschaften, der Musikuniversität oder mit der Angewandten. Aber „vom Künstler lernen“, das wäre zu einfach. Das ist nicht in einer Lektion in der Volkshochschule abzuhandeln. Ich glaube, es ist ein permanenter Prozess mit vielen Facetten. Aktive Kunstpolitik heißt vieles ermöglichen, aber noch mehr, gesellschaftliche Breite zu schaffen, um die verschiedensten Entwicklungen einer Diskussion zu stellen. Man muss erkennen, dass es eine gewisse Kultur im Umgang miteinander braucht. Der große Künstler ermuntert auch die anderen.

Buchbinder: Und der große Politiker.

Kommentare