Semmering-Basistunnel: Nur 980 Meter, aber noch sieben Jahre

Von den 27,3 Kilometer langen Röhren sind mehr als 25 Kilometer bereits gegraben. Der letzte Rest hat es geologisch in sich
Wegen der „zerstörerischen Umweltauswirkungen“ haben die Gegner jahrelang mit allen erdenklichen Mitteln den fast vier Milliarden Euro teuren Semmering-Basistunnel torpediert. Millionen Liter frischen Quellwassers werden durch den Röhrenbau im Semmering-Massiv täglich dem natürlichen Wasserhaushalt entzogen. Dieser Kritik war sich auch Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) bewusst, als sie sich am Montag 400 Meter unter Tage vom Baufortschritt überzeugte. Ein Reihe anderer Argumente würden aber eindeutig für den Tunnel sprechen, so die Ministerin zum KURIER.
„Wie man bereits auf der Weststrecke sieht, gelingt es nur mit einer Attraktivierung des Angebots, die Menschen zum Umstieg auf die Schiene zu bewegen“, erklärt Gewessler. Und der Basistunnel sei diesbezüglich ein Quantensprung. Die Fahrzeit Wien–Graz verkürze sich von 2.40 Stunden auf 1 Stunde und 50 Minuten. Das wesentlichste Argument sei, „klimafreundlich, schnell und sicher“ unterwegs zu sein und auf das Auto zu verzichten, meint die Ministerin. Den Basistunnel sehen die Verantwortlichen wie ÖBB-Chef Andreas Matthä und Vorständin Judith Engel (ÖBB Infrastruktur) als Mosaikstein für die neue, 470 Kilometer lange Südstrecke.
Koralmbahn
Als erster Teil davon wird im Dezember 2025 der neue Koralmtunnel in Kärnten in Betrieb gehen. Wenn im Jahr 2030 – vier Jahre später als ursprünglich geplant – auch der Semmeringtunnel befahren werden kann, ist man mit dem Zug deutlich schneller von Wien in Klagenfurt (2:40 Stunden) als mit dem Auto.
Aktuell sind mit 25 Kilometern bereits mehr als 95 Prozent der Röhren durch den Semmering gegraben und gesprengt und acht der insgesamt 14 Vortriebe abgeschlossen, erklärt ÖBB-Projektleiter Gerhard Gobiet. Wieso es trotzdem noch sechs bis sieben Jahre dauert, bis die ersten Züge mit 230 km/h vom Tunnelportal in Gloggnitz (NÖ) nach Mürzzuschlag (Stmk.) sausen, liegt an der massiven geologischen „Grasberg-Nordrand-Störung“. Die „komplexeste geologisch-tektonische Struktur der Ostalpen“ stellt seit 2019 die Ingenieure vor täglich neue Herausforderungen.
Der Basistunnel ist seit den 1980er-Jahren Zankapfel in Österreichs Verkehrs- und Umweltpolitik
1980 bis 1989
Die ÖBB beginnt mit den Vorplanungen für einen Tunnel durch den Semmering
1994
Baubeginn für Sondierstollen
1998
NÖ Landeshauptmann Erwin Pröll erlässt einen negativen Naturschutzbescheid
1999 bis 2000
Der Verwaltungsgerichtshof hebt den NÖ-Bescheid auf. NÖ ändert das Landesgesetz und erlässt einen weiteren negativen Bescheid
2005
Der Ministerrat beschließt eine Neuplanung des Tunnels mit anderer Trassenführung
2008
Die zweiröhrige Tunneltrasse wird auch von NÖ zustimmend aufgenommen
2011
Im Mai ergeht der positive UVP-Bescheid
2014
Zwei Jahre nach dem Spatenstich in Gloggnitz kippt der VwGH nach Einsprüchen den UVP-Bescheid und verhängt einen Baustopp. Die Fehler werden bereinigt
2017
Sieben Jahre nach der Einreichung besteht endlich Rechtssicherheit für das Projekt. Alle Verfahren und Einsprüche vor den Gerichten sind abgeschlossen

Garhard Gobiet, Judith Engel, Leonore Gewessler, Andreas Matthä
Einen Meter pro Tag
Es fehlen zwar nur noch 980 Meter bis zum heiß ersehnten Durchschlag, aber die haben es in sich. Das anfallende Bergwasser in der Zone macht den Baggervortrieb zum Lotteriespiel. Die Mineure schaffen derzeit höchstens einen Meter pro Tag, erklärt Gobiet. „Der Berg gibt das Tempo vor“, sagt der Projektleiter. Aus heutiger Sicht rechnet man damit, dass diese Hürde in etwa zweieinhalb Jahren bewältigt ist.
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