St. Pölten: Steine nennen Holocaust-Opfer beim Namen

St. Pölten: Steine nennen Holocaust-Opfer beim Namen
Sieben neue „Steine der Erinnerung“ gegen das Vergessen verlegt.

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Mehr als 20 Jahre ist es her, dass Martin Gewing die Synagoge in St. Pölten um Informationen bezüglich der Familie seines Urgroßonkels Hermann Gewing bat und somit Nachforschungen des Instituts für Jüdische Geschichte (Injoest) ins Rollen brachte. Dadurch kam die Ermordung des Ehepaar Gewings im kroatischen KZ Jasenovac ans Licht.

Seit vergangenem Freitag wird ihrem Schicksal mit einem „Stein der Erinnerung“ an ihrem letzten freiwilligen Wohnort, der St. Pöltner Domgasse 7, gedacht. „Es ist unmöglich, mit Worten zu erklären, wie bedeutungsvoll dies ist“, freut sich ihr heute in Kalifornien lebende Nachkomme über dieses Zeichen.

Doch auch an fünf weiteren Adressen im Innenstadt-Gebiet erinnern seit Kurzem kleine quadratische Messingplatten am Gehsteig an die persönlichen Schicksale von neun weiteren St. Pöltner Opfern der Shoa.

St. Pölten: Steine nennen Holocaust-Opfer beim Namen

„Mich begeistert, welche Spuren Menschen hinterlassen“, schildert Martha Keil, Direktorin des Injoest, im Rahmen des Rundgangs, bei dem an jedem neuen Stein Kerzen und weiße Rosen niedergelegt wurden.  Zwar gebe es von Robert Baruch aus der Wiener Straße 42 kein Foto.

Von ihm wurde aber ein Brief, in dem er seine Fluchtroute von Italien nach Frankreich beschrieb, entdeckt. „Diese Wege benützen freiwillige und unfreiwillige Wandernde, darunter auch afrikanische Flüchtlinge, heute noch“, wies Keil auf die gegenwärtige Bedeutung dieses historischen Zeugnisses hin.

Auch dem Namen von Sabina Allina, von der nicht viel mehr als ihre Todesfallsanzeige bekannt ist, hätte man leider kein Gesicht geben können. Durch Hans Bruckner, der ihren Stein in der Kremser Gasse 5 spendete, wird sie aber dennoch auch in Zukunft nicht vergessen werden. „Auch wenn wenig über sie bekannt ist, so steht sie als Person für so viele. Sie ist mir mit ihrem Schicksal ans Herz gewachsen“, so Bruckner.

Steine an allen Adressen

Die direkte Steinsetzung  wird seit jeher durch die Baudirektion der Stadt St. Pölten durchgeführt. Für Bürgermeister Matthias Stadler (SPÖ) würden die neuen Gedenksteine „ins Gedächtnis rufen, was damals mit der jüdischen Bevölkerung St. Pöltens geschehen ist“. Insgesamt 39 Steine für 79 Personen erinnern nun an die Vernichtung der jüdischen Gemeinde in St. Pölten. Ziel sei es, an allen 60 Adressen in der Stadt Steine zu setzen, so Stadler.

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