Kein Grund zum Feiern: St. Pöltner Jugendzentrum nach 30 Jahren geschlossen

Kein Grund zum Feiern: St. Pöltner Jugendzentrum nach 30 Jahren geschlossen
Die Entscheidung der Diözese ist für die Mitarbeiter unverständlich, es gibt Protest.

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Anstatt die Türen des H2 JugendCenters zum 30-jährigen Bestandsjubiläum für Feierlichkeiten zu öffnen, wurden diese vor wenigen Tagen nun endgültig geschlossen. Sehr zum Unmut des ehemaligen Führungsteams: Die Diözese als Betreiber hätte entschieden, „dass Nächstenliebe allein nicht genug ist, um die Erhaltung des H2 zu rechtfertigen“, erklärten die beiden Mitarbeiterinnen Theresa Harrer und Teresa Reitbauer jetzt öffentlich.

Lange Diskussionen

Zwar kam die Schließung zum jetzigen Zeitpunkt überraschend, da erst vor zwei Jahren 120.000 Euro in die Renovierung der Räumlichkeiten investiert wurden. Ohne Vorwarnung kam der Entschluss der Diözese aber nicht. Bereits seit 2017 hätte man immer wieder über den Erhalt diskutiert.

Konkret wurde laut Diözese St. Pölten zuletzt im September 2020 im Diözesanrat über die Schließung gesprochen. "Gemeinsam mit den damaligen Verantwortlichen wurde beschlossen, dass – auch im Hinblick auf die vor der Pandemie erfolgten Renovierung – das H2 für ein weiteres Jahr geöffnet bleibt, konkrete inhaltliche, finanzielle und Besucherevaluierung stattfindet und diese als Entscheidungsgrundlage dient."  Diese Evaluierungsergebnisse hätten nun zur Schließung geführt.

Kein Grund zum Feiern: St. Pöltner Jugendzentrum nach 30 Jahren geschlossen

Der Unmut gegen die Schließung ist groß

Die getätigten Investitionen seien für die Diözese nicht die einzigen Kosten gewesen, die in die Überlegung zur Schließung einflossen: "Es geht auch um Entscheidungen zu laufenden Betriebs- und weiteren Personalkosten", heißt es aus dem bischöflichen Medienreferat. "Um die Investitionskosten nicht abschreiben zu müssen, wird derzeit über ein mögliches Nachfolgekonzept der Liegenschaft nachgedacht".

Kirchliche Jugendarbeit verschieden interpretiert

Gespießt habe es sich laut den ehemaligen Leiterinnen an der verschiedenen Auslegung, was kirchliche Jugendarbeit heiße. „Bei uns stand das Miteinander im Vordergrund. Jugendliche, egal welcher Herkunft, Religion, Ausbildung oder Lebenssituation waren willkommen“, erklären die Leiterinnen. Regelmäßige katholische Messen oder Ähnliches hätte es aber nicht gegeben. 

Aus dem Pressereferat der Diözese St. Pölten heißt es dazu: "Dass kirchliche Jugendarbeit  - so wie sämtliche Tätigkeiten der Diözese St. Pölten - dem Sendungsauftrag und dem seelsorgerischen Grundauftrag der Kirche entsprechen soll, ist selbstverständlich." "Ein Jugendzentrum, in dem tagtäglich Jugendlichen christliche Haltungen vorgelebt werden, in dem sie spüren können, dass jemand für sie da ist, und dass die katholische Kirche niemanden auf der Strecke lässt, scheint diesen Ansprüchen nicht zu genügen“, kommentieren dies die ehemaligen Leiterinnen.

Nachfrage gestiegen

Auf zu wenige Besucherinnen und Besucher sei die Schließung laut den Mitarbeiterinnen jedenfalls nicht zurückzuführen. Aufgrund der Pandemie sei der Bedarf an Jugendarbeit sogar noch weiter gestiegen. So sei das Angebot im H2 an jedem trotz Corona geöffneten Tag genutzt worden. Um Jugendliche trotz geschlossenem H2 weiterhin unterstützen zu können sind seit September statt bisher einem nun zwei hauptamtliche Jugendleiter im Einsatz. "Das pastorale Angebot von „Sankt.“ und umfangreiche Überlegungen zur Studierendenseelsorge rund um die Fachhochschulen werden derzeit ebenfalls ausgebaut und verstärkt", heißt es seitens der Diözese. 

Dass diese Angebote das H2 ersetzen können, glauben die ehemaligen Leiterinnen aber nicht. Sie rechnen mit einem höheren Zulauf zu anderen Jugendzentren der Stadt, wie beispielsweise zur städtischen Einrichtung "Steppenwolf".

Betroffenheit

Auch dort ist die Betroffenheit über die Schließung groß. "Es hat mich wirklich getroffen, als ich von der Schließung des H2 JugendCenters in der Innenstadt gehört habe, denn das ist ohne Zweifel das falsche Signal in solchen Zeiten", wird der Leiter des Jugendzentrums Steppenwolf Michael Hogl in einer Aussendung der Stadt St. Pölten anlässlich des 25. Geburtstags der Einrichtung zitiert.

Gerade in Zeiten wie diesen sei es laut Hogl besonders wichtig, dass Jugendlichen ein Ort, an dem sie sich persönlich treffen können, aber auch mit Anliegen geholfen wird. 

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Lena Schmaldienst, Michael Hogl, Lukas Schmied und Tanja Schönanger vom Jugendzentrum Steppenwolf feiern gemeinsam mit Jugend-Gemeinderat Gregor Unfried den 25. Geburtstag der Beratungseinrichtung für Jugendliche.

Was alles entstehen kann, wenn Jugendlichen ein Platz für "Begegnungen an dem ohne Vorurteile und auf Augenhöhe miteinander gesprochen werden kann", wie die Stadt St. Pölten das Jugendzentrum beschreibt, zeigt sich an den umgesetzten Projekten des Steppenwolfs.

Neben einem Ort zum Freunde treffen oder Probleme lösen, entstanden in den vergangenen 25 Jahren auch viele Ideen für Veranstaltungen oder zur Gestaltung der Landeshauptstadt. "Auf Initiative des Jugendzentrums und seinen Besucherinnen und Besuchern wurde beispielsweise die Skatehalle in der Herzogenburger Straße gebaut und gestaltet, ein Calisthenics-Park beim Ratzersdorfer See geschaffen und erst im heurigen Sommer im Rahmen einer Graffitijam die Wände unter der ÖBB-Westbahnbrücke an der Traisen mit zahlreichen Kunstwerken neugestaltet", so die Stadt in der Aussendung. 

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