Ein Rucksack voller Geschichte im Museum NÖ
Der KURIER berichtet verstärkt aus der Landeshauptstadt St. Pölten. Wenn Sie über alle wichtigen Themen in der Stadt informiert bleiben wollen, dann können Sie sich hier oder am Ende des Artikels für den wöchentlichen Newsletter "Ganz St. Pölten" anmelden.
Mit ihrem Gemischtwarenhandel hat sich die jüdische Familie Greger in ihrer Heimatgemeinde Erlauf (Bezirk Melk) bereits einen Namen gemacht, als der Großvater 1916 beschließt, zu expandieren. Er erwirbt „Zur Billigkeit“, das damals größte Kaufhaus in Amstetten.
„Jeder ging dorthin einkaufen, es war in den 30ern eines der letzten Kaufhäuser, wo man noch anschreiben konnte“, weiß Historiker Gerhard Zeillinger. „Die Familie Greger war sehr sozial. Gebracht hat ihnen das später bei der Verfolgung durch die Nationalsozialisten aber nichts.“
Flucht nach Palästina
Im September 1938 wird das Kaufhaus „arisiert“, nur Wochen später ist demontiert. Die Reichspogromnacht wird für die Familie laut Zeillinger zum „dramatischen Einschnitt“ – die Eltern und eine Tochter fallen dem mörderischen Regime zum Opfer.
Dem jüngsten Sohn, Fritz, aber gelingt die Flucht. Sein einziges Reisegepäck ist ein Rucksack. Den legt er selbst auf den letzten Metern nach Palästina nicht ab, die er schwimmend zurücklegen muss. „Auf demselben Weg, mit demselben Rucksack kehrte Fritz 1954 mit seiner in Palästina gegründeten Familie nach Amstetten zurück“, so Zeillinger. Für seinen bei der Rückkehr fünf Jahre alten Sohn Harry Greger wird der Rucksack zu einem bedeutenden Erinnerungsstück.
Nun hat der Rucksack einen gebührenden Platz im Museum Niederösterreich in St. Pölten gefunden. Zur Eröffnung des neu überarbeiteten zeitgeschichtlichen Themenbereichs „Im Gleichschritt – ausgelöscht“, der permanenten Ausstellung im Haus der Geschichte, ist auch Harry Greger gekommen – und zeigt sich sichtlich berührt.
Nach vier Jahren erneuert
„Harry hat den Rucksack immer wie seinen Augapfel gehütet. Umso empörter war er, als seine Frau den alten Rucksack einmal wegwerfen oder zumindest waschen wollte“, wird am Eröffnungsabend im Museum NÖ eine Anekdote erzählt.
Nach vier Jahren wurde die Dauerausstellung erstmals erweitert. Der neue Themenbereich setzt nach dem Ersten Weltkrieg ein, der Großteil des Ausstellungsbereiches sei aber dem Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg gewidmet. Dabei wird immer der Blick auf persönliche Schicksale gerichtet, wodurch laut Museumsleiter Christian Rapp die Vielfalt an Opfergruppen der NS-Zeit deutlich gemacht werde.
Im Rahmen der Eröffnung wird beim Wohnhaus der Familie Fantl in Bischofstetten (Bezirk Melk) auch eine neue Gedenktafel enthüllt. Ein Gürtel, der Walter Fantl-Brumlik in seiner Zeit im KZ Auschwitz-Birkenau immer weiter, aber auch zum Talisman wurde, ist von nun an ebenfalls im Haus der Geschichte in St. Pölten zu sehen.
Kommentare