Angesteckt im Krankenhaus: "Er ging ohne Corona ins Spital und kam im Sarg heim"
Ein Pensionist wird ins Spital eingewiesen, drei Wochen danach ist der 94-Jährige tot. Er steckte sich dort mit Corona an. Sein Sohn spricht über seinen Verlust.
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Josef S. war gern unter Menschen. Wenn der 94-Jährige von früher erzählte, dann versammelten sich die Menschen um ihn herum. „Er war“, sagen Freunde, „ein wandelndes Lexikon“.
Dann kam Corona.
Der Pensionist verbrachte viel Zeit zu Hause. „Aufgrund seines hohen Alters haben wir uns Sorgen um ihn gemacht. Wir haben versucht, gut auf ihn aufzupassen“, erzählt sein Sohn Manfred.
"Mein Zimmernachbar hustet den ganzen Tag"
Mitte Februar wurde der Pensionist plötzlich von Schwindelanfällen geplagt, zur Abklärung ging es ins Universitätsklinikum St. Pölten. Dort fanden die Ärzte heraus, dass sein Unwohlsein mit einem Arterienverschluss zusammenhängen dürfte. Doch eine andere Nachricht beunruhigte die Familie des 94-Jährigen viel mehr. „Papa hat uns am Telefon berichtet, dass sein Zimmernachbar den ganzen Tag hustet.“
Die Hiobsbotschaft folgte kurz darauf. „Ich wurde informiert, dass mein Vater an Corona erkrankt sei“, berichtet der Niederösterreicher.
Der 94-Jährige wurde daraufhin isoliert, sein Gesundheitszustand verschlechterte sich von Tag zu Tag. Schließlich brach der direkte Kontakt ab. Josef S. konnte nicht mehr telefonieren, sein Sohn durfte ihn nicht besuchen. „Ich wollte nur noch einmal seine Hand halten, habe um einen Schutzanzug gebeten. Doch das wurde mir nicht erlaubt.“ Drei Wochen nach dem Eintritt ins Krankenhaus ist der Pensionist tot. „Er ging ohne Corona ins Spital und kam im Sarg heim“, sagt Manfred S. verbittert.
Alte Menschen in Sorge
Ist das Schicksal des 94-Jährigen eines von vielen? In Gesprächen mit dem KURIER berichten Allgemeinmediziner, dass vor allem bei älteren Menschen die Angst vor einem Krankenhausaufenthalt immer größer werde. Grund sei die Angst vor einer Corona-Infektion.
Hygienemaßnahmen
„Ja, es gibt vereinzelte Fälle“, sagt dazu Patientenanwalt Gerald Bachinger. Er betont aber auch, dass die Sicherheitsmaßnahmen in Sachen Hygiene deutlich verbessert worden seien. „Während bei der ersten Welle teilweise noch Management by Chaos geherrscht hat, ist die Situation nun eine ganz andere“, berichtet Bachinger. Er verbindet seine Aussage mit einem Appell: „Haben Sie keine Angst vor einem Spitalsaufenthalt. Es wird alles Menschenmögliche getan, damit man sich nicht ansteckt.“
Valide Daten, wie viele Menschen in Krankenhäusern an Covid-19 erkranken, gibt es nicht. „Grundsätzlich besteht keine gesetzliche Verpflichtung zur Meldung von nosokomialen Infektionen, also jenen, die während eines Aufenthaltes in einem Klinikum auftreten. So auch nicht für Covid-19-Fälle“, sagt ein Sprecher der Landesgesundheitsagentur NÖ.
Hygieneteam
Die Österreichische Gesellschaft für Krankenhaushygiene hat sich mit Patientenanwalt Bachinger aber auf eine Definition geeinigt, um eine Nachvollziehbarkeit zu ermöglichen: Wird ein Patient, der bei Aufnahme PCR-negativ war, 96 Stunden nach der Aufnahme im Klinikum positiv getestet, so wird dies als Infektion während des Aufenthaltes gewertet. Sollte dies der Fall sein, so erfolge eine strenge Prüfung durch das Hygieneteam des Hauses, heißt es.
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