„Bis auf die Mauern ist jetzt nichts mehr alt“, sagt ÖVP-Finanzstadtrat Gerhard Dummer, der das Sanierungsprojekt koordiniert. Auch mit einer Photovoltaik-Anlage wurde der Lindenhof ausgestattet, geheizt wird künftig mit Fernwärme. Derzeit laufen die Arbeiten am letzten Gebäudeteil, danach wird auch noch der Hof funktional und grün gestaltet.
Standard der 50er-Jahre
Ganz klar, dass die Mieter bei derart umfassenden Arbeiten vorübergehend ausziehen mussten. Sie kamen bei ihrem Familien unter oder in einer Ausweichwohnung der Gemeinde. Problem war das für sämtliche Bewohner aber keines; zu groß war die Vorfreude auf eine generalsanierte Wohnung. Bis auf einen Fenstertausch war am Lindenhof seit seiner Erbauung 1952 nämlich nichts mehr gemacht worden. Zum Teil befanden sich auch die Sanitäranlagen noch auf den Gebäudegängen.
„Wir nehmen rund 8,4 Millionen Euro für die Sanierung in die Hand. Mit den Förderungen des Landes ist das aber machbar“, sagt Dummer. Wobei der Lindenhof erst der Anfang ist: Die Stadt unterhält insgesamt 15 Gemeindewohnbauten, bis auf den sogenannten Lenauhof sind bei allen Renovierungsarbeiten – zum Teil mit Berücksichtigung von Denkmalschutzauflagen – nötig. Eine Mammutaufgabe, die sich für den Stadtrat aber nicht mehr aufschieben lässt.
„Eine Gemeinde kann alle 20 Jahre um Unterstützung bei der Sanierung von Gemeindewohnungen ansuchen. Die SPÖ hätte diese Förderungen in Anspruch nehmen können“, sagt Dummer. Seit 2019 sitzt die ÖVP am politischen Ruder, zuvor war Stockerau als einstige Arbeiterstadt stets von der SPÖ regiert worden.
Wien als Vorbild
Was auch erklärt, weshalb sich in der Stadt großvolumige Gemeindewohnbauten finden, wie man sie aus Wien kennt. Dort erlebte der soziale Wohnbau in der Ersten Republik seine Blüte; die damalige Weltstadt platzte schon um die Jahrhundertwende aus allen Nähten, zu viele Menschen aus den Kronländern suchten im Herzen des Kaiserreiches ihr Glück. Was dazu führte, dass vor allem in der Arbeiterschicht unmenschliche Wohnbedingungen herrschten.
Dennoch sollte es bis 1925 dauern, bis der erste Gemeindebau der Stadt, der Metzleinstalerhof, bezugsfertig war. In diesem Jahr entstand auch in Stockerau mit dem bereits erwähnten Lenauhof das erste kommunale Wohngebäude. Zudem war Stockerau die erste Stadt außerhalb Wiens, die über eine Wohnbausteuer verfügte. Die „Luxusabgabe“ der Reichen machte die Verwirklichung der Wohnbaupläne erst möglich.
100 Jahre später ist der Gemeindewohnbaus längst nicht Geschichte – im Gegenteil. Die Nachfrage ist hoch, in Stockerau überlegt man sogar, neue Gemeindewohngebäude zu errichten. „Die Wohnungen sind für alle da, die wenig verdienen. Das sind Familien in Not, junge Paare oder auch Lehrlinge“, nennt Dummer Beispiele. Voraussetzung ist – neben dem Einkommensnachweis – dass der Mieter in Stockerau wohnt oder arbeitet.
Erinnerung an das "rote Stockerau"
Pro Jahr gibt es rund 40 Neuanmeldungen für Gemeindewohnungen. „Es gibt viele Menschen in Österreich, die mit weniger als 1.000 Euro im Monat auskommen müssen. Gäbe es keinen sozialen Wohnbau, hätten diese keine Dach über dem Kopf“, sieht Dummer hier die öffentliche Hand in der Verantwortung.
29 neue Wohnungen werden jedenfalls durch die Sanierung des Lindenhofs geschaffen. Die bisherigen Mieter behalten ihre bestehenden Verträge. Und noch etwas bleibt dem Lindenhof erhalten: Das Fassadenfresko, das an das „rote Stockerau“ erinnert.
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