Salafisten-Lektüre in der Justizanstalt

Ausgerechnet Salafist Sergo P. (re.) fand das extremistische Buch
Im Korneuburger Gefängnis tauchte ein Buch des Extremisten Maududi auf. Entdeckt hat es ausgerechnet ein Häftling, der sich schon zwei Mal dem IS anschließen wollte – selbst ihm war das Buch zu radikal.

Was Häftlinge in den Justizanstalten tun oder nicht tun dürfen, ist streng geregelt. Entsprechende Vorgaben gibt es auch, was sie lesen dürfen. Jede Anstalt besitzt eine Bibliothek. Bei Büchern mit religiösem Inhalt gelten besonders strikte Regeln. "Extremistisches Material jeder Art wird nicht geduldet", heißt es dazu aus dem Justizministerium. Doch genau das tauchte in der Justizanstalt Korneuburg auf – und zwar ein Buch des Salafisten Abu l-A la Maududi.

Heftiger Inhalt

Entdeckt hatte es ausgerechnet Sergo P., ein tschetschenischer Insasse, der sich bereits zum zweiten Mal dem IS in Syrien anschließen wollte. Seinem Betreuer von Derad – einer Organisation, zur Deradikalisierung von Insassen – erklärte er: "Was da drinnen steht, ist aber schon radikal."

Tatsächlich: Maududi, der in Indien geboren wurde und 1973 starb, gilt als geistiger Vater der politischen Salafia. Er rief in seinen Schriften zum Dschihad auf: "Zieht aus und kämpft!" Der Kampf zur Errichtung des Kalifats (Gottesstaat, Anm.) sei unter Einsatz des Lebens zu führen, die Tötung anderer sei in Kauf zu nehmen. An seinen Thesen orientieren sich Terrororganisationen wie Al-Qaida oder der Islamische Staat.

Salafisten-Lektüre in der Justizanstalt
Censoring the books, forbidden books
Wie dieses Buch in der Gefängnisbibliothek landete, ist unklar. Als die Problematik mit radikalen Dschihadisten in Österreich vor wenigen Jahren aufkam, wurden sämtliche islamische Bücher mit religiösen Inhalten eingezogen – darunter auch jene von Maududi. "Wir haben in der Justiz leider keine Mitarbeiter, die etwa Arabisch sprechen. Deshalb wurde mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft vereinbart, dass sie die Bücher prüft", erklärt Britta Tichy-Martin, Sprecherin des Justizministeriums. Damals seien etliche Bücher aussortiert worden. "Die geeigneten wurden mit einem Stempel gekennzeichnet."

Prüfstempel

Auch das Buch des Salafisten hatte diesen Stempel. "Es geht kein Buch hinein, das nicht von uns bestätigt wurde", erklärt Gefängnisseelsorger Ramazan Demir. In erster Linie sind für die Prüfung der Bücher die islamischen Gefängnisseelsorger zuständig, die ehrenamtlich arbeiten. Das Maududi-Buch sei tatsächlich klar gegen die Richtlinien, betont Demir. "Darin werden ultraorthodoxe Ansichten vertreten, die wir nicht unterstützen."

Demir kündigte an, den gesamten Bestand islamischer Bücher der Justizanstalt Korneuburg umgehend zu überprüfen. Das Justizministerium wiederum sortierte das Buch sofort aus und schickte es an einen Islam-Experten nach Deutschland. "Wir wollen die Gewissheit haben, ob es problematisch ist und eine unabhängige Klärung", erklärt Tichy.

Künftig soll das nicht mehr passieren können, kündigt Demir an. "Wir haben gemeinsam mit der Uni Wien eine Liste von unproblematischen Büchern und Koran-Übersetzungen erstellt." Diese sollen als Bücher-Pakete von den Justizanstalten bestellt werden können. "Damit haben wir einheitliche Standards."

2000 bis 5000 Bücher stehen in den heimischen Haft-Bibliotheken. "Kein Insasse kann Bücher einbringen. Außerdem werden auch keine Bücherspenden mehr entgegen genommen", sagt Tichy-Martin. Werke mit radikalen Inhalten jeder Art seien prinzipiell verboten. Aber auch etwa Physik- oder Chemie-Anwendungbücher sowie medizinische Fachbücher, in denen beispielsweise Abbildungen leicht bekleideter Kinder zu finden sind.

Beliebt bei den Insassen seien vor allem Sprachbücher, Lehrbücher um den Schulabschluss nachzuholen, Sachbücher und klassische Belletristik. "Damit die Insassen auch entsprechend beschäftigt sein", wie Tichy-Martin sagt.

Der 22-jährige Sergo P. bezeichnet sich selbst als Salafist. Mit dem IS will er aber nichts zu tun haben. Trotzdem wurde er schon zwei Mal bei der Ausreise nach Syrien gestoppt. In der Vorwoche wurde er deshalb erneut zu zwei Jahren Haft verurteilt.


Schon vor der ersten Verurteilung im Sommer 2015 fiel Sergo P. in der Justizanstalt Josefstadt als radikal auf. Er zwang Mithäftlinge zum Mitbeten, brachte einen sogar zum Konvertieren und wurde schließlich in eine Zelle mit einem Chinesen verlegt, der ausschließlich Chinesisch sprach.


Der Tschetschene wurde im Landesgericht Wien zu zwei Jahren Haft verurteilt. Acht Monate wurden ihm bedingt nachgesehen. Seit Juli 2016 wurde ein Sozialarbeiter von Neustart für ihn engagiert. Der kümmerte sich darum, dass Sergo P., seine vollständig verhüllte Frau und die gemeinsamen Kinder eine neue Wohnung fanden. Er unterstützte ihn beim Asylverfahren (mittlerweile wurde ihm der Asylstatus aberkannt) und er versuchte (erfolglos), einen Job für ihn zu finden. Die Betreuung nahm Sergo P. gut an. Über sein religiöses Bekenntnis wollte er aber nicht sprechen. Er habe der Gewalt schließlich abgeschworen. Dass er im Gefängnis missionierte, erfuhr sein Betreuer nicht. Eine entsprechende Weisung des Gerichts für eine Nachbetreuung gab es auch nicht.


Kein Auftrag

Seine (noch immer) verhüllte Frau bekam nach ihrem Haftaufenthalt – sie wollte mit Sergo P. nach Syrien reisen – sofort die Auflage, die Betreuung der Organisation Derad (sie kümmert sich um radikalisierte Straftäter, Anm.) in Anspruch zu nehmen. Bei Sergo P. war das nicht der Fall. „Wir haben nach der ersten Haftentlassung definitiv keine Weisung vom Gericht bekommen, den Mann zu betreuen“, erklärt Derad-Chef Moussa al-Hassan Diaw.
Das Gericht wiederum spielt den Ball weiter an die Organisation Neustart. „Wenn eine derartige Betreuung nötig ist, hätte sie von Neustart angeregt werden können. Das ist durchaus üblich“, erklärt Christina Salzborn, Sprecherin des Landesgerichts Wien.
Neustart wiederum ist über die Aussage Diaws irritiert: „Wir haben Derad den Fall im August 2016 zugewiesen und sogar die Kosten dafür übernommen.“ Gleichzeitig habe es eine fehlende Information aus der Justizanstalt gegeben, in der Sergo P. missioniert hatte. „Über solche Vorfälle müssen wir informiert werden“, sagt Sprecher Andreas Zembaty.

Kommentare