Nachdem die Fäuste flogen: Familientreffen auf der Anklagebank

Am Bahnhof Wiener Neustadt kam es zur Schlägerei zwischen zwei der Angeklagten.
Es ist ein Familientreffen der eher ungewöhnlichen Art, das am Donnerstag am Landesgericht Wiener Neustadt über die Bühne geht. Nebeneinander müssen auf der Anklagebank ein 57-jähriger Mann aus dem Bezirk Neunkirchen, seine 31-jährige Tochter, sein Sohn (22) sowie sein Schwiegersohn (31) Platz nehmen - allesamt österreichische Staatsbürger mit türkischen Wurzeln.
Doch schon in diesem Punkt tauchen die ersten Schwierigkeiten auf. Denn die 31-Jährige möchte ihrem (Noch-)Ehemann nicht mehr zu nahe kommen. Man lebe in Scheidung, betont sie. Außerdem wirft die Frau ihrem Gatten vor, sie über Monate hinweg geschlagen und bedroht zu haben. Nicht nur Opfer, sondern auch Angeklagte ist sie deshalb, weil ihr Ehemann alle Vorwürfe leugnet und angibt, selbst von ihr misshandelt worden zu sein.
"Die Basis für ein längeres Scheidungsverfahren ist also gelegt", meint der vorsitzende Richter schmunzelnd - fügt dann aber deutliche Worte hinzu: "Ich appelliere an alle Beteiligten, sich heute hier wie Erwachsene zu benehmen." Das gelingt dann tatsächlich über weite Strecken der Verhandlung, nachdem man sich auf eine Sitzordnung geeinigt hat.
"Beschimpft und beleidigt"
Der Schwiegersohn erzählt von Vernachlässigung und Beleidigungen durch seine Ehefrau - trotz eines gemeinsamen Kindes. "Sie war immer bei ihrer Familie oder mit Freundinnen in Wien unterwegs. Ich habe ihr alles ermöglicht, wir haben Urlaube unternommen, ich habe sogar meinen Porsche verkauft, damit ich ihr einen BMW kaufen kann." Vor dem gemeinsamen Kind sei er von ihr als "AIDS-kranker" bezeichnet worden: "So etwas macht ein normaler Mensch doch nicht."
Eine Ohrfeige habe er seiner Frau verpasst, räumt der Mann ein - ein diesbezügliches Strafverfahren wurde eingestellt, nachdem die 31-Jährige die Anzeige zurückgezogen hatte. Weitere Misshandlungen habe es aber nicht gegeben, behauptet er.
Das schildert allerdings nicht nur die 31-Jährige anders. Auch ihr Bruder berichtet, die Frau sei wiederholt geschlagen worden. Zur Eskalation kam es dann am 5. Juli dieses Jahres. Als der 22-Jährige seine Schwester während der Abwesenheit ihres Ehemannes in ihrem Haus besuchte, läutete plötzlich das Telefon der Frau. Über eine installierte Videokamera hatte ihr Gatte beobachtet, dass sie Besuch empfangen hatte und soll wüste Drohungen ausgestoßen haben.
Schlägerei am Bahnhof
"Meine Schwester hat gesagt, ich soll lieber gehen, aber vorher noch die Kamera zerstören, weil sie das nicht will", erzählt der Bruder. Er sei mit dem Zug nach Wiener Neustadt gefahren - doch dort habe bereits der Schwager auf ihn gewartet. "Er ist am Bahnhof sofort auf mich losgegangen und hat auf mich eingeschlagen." Bei einem Sturz habe er sich daraufhin die Hand gebrochen.
Eine Auseinandersetzung ist tatsächlich auf Bildern der Überwachungskamera am Bahnhof Wiener Neustadt zu sehen. Von wem die Initiative ausgegangen war, ist allerdings unklar. Der Schwiegersohn beteuert, seinerseits zuerst attackiert worden zu sein: "Ich musste mich dann verteidigen." Auch er erlitt bei der Schlägerei Verletzungen, die von der Polizei dokumentiert wurden.
Attacke auf Schwiegersohn
Doch das Familiendrama war damit noch nicht beendet. Als der Vater des 22-Jährigen von dessen Verletzungen erfuhr, rückte er zur Vergeltung aus. Er werde die Mutter des Schwiegersohnes töten und seiner Schwester andere Grausamkeiten antun, soll er telefonisch gedroht haben, ehe er beim Haus des Ehepaares "nach vier oder fünf Bieren" auftauchte. Dort ging er auf den vermeintlichen Gewalttäter los, ehe die Polizei einschreiten konnte.
Vor Gericht bedauert der 57-Jährige seinen Wutanfall, tatsächlich verletzt habe er seinen Kontrahenten aber nicht, beteuert er. "Über Monate hinweg musste mein Mandant mitverfolgen, wie seine Tochter misshandelt wurde", versucht der Verteidiger des Mannes sein Verhalten zu rechtfertigen. "Sie hatte ihn an diesem Tag angerufen und gebeten, dass er sie abholt, weil sie Angst vor ihrem Mann hat und nicht mehr bei ihm bleiben will."
Freispruch und Diversion
Der bislang gerichtlich unbescholtene Mann nimmt das Angebot einer Diversion gegen Zahlung eines Geldbetrages ebenso an, wie sein Sohn. Sein Schwiegersohn wird zu 15 Monaten bedingter Haft verurteilt – nicht rechtskräftig, dessen Ehefrau im Zweifel freigesprochen.
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