Polizeilegende nimmt Abschied: "Herumnudeln reicht nicht"

Zuletzt war es um ihn ruhig geworden. Seine drei letzten Jahre im Polizeidienst verbrachte Franz Prucher (65) in einem Büro der Generaldirektion für Öffentliche Sicherheit im Innenministerium in Wien. Als Verbindungsmann zur Justiz und als jemand, der alte, archivierte Fälle aufarbeitet. Dabei musste sich der gebürtige Steirer, der nun in Wien lebt, wohl auch mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen, denn in seiner Zeit als oberster Polizist von Niederösterreich war er mit vielen spektakulären Fällen konfrontiert. Darunter der „Fall Fritzl“ in Amstetten.
Dabei wollte Franz Prucher eigentlich Pfarrer werden. Das Thema war aber rasch abgehakt und er stieg 1976 bei der Polizei ein. „Was ich nie bereut habe“, sagt Prucher jetzt. Und: „Bei mir haben dann auch viele beichten müssen, halt ein bisschen anders als in der Kirche.“

Als oberster Polizist von Niederösterreich war er mit vielen spektakulären Fällen konfrontiert. Darunter der „Fall Fritzl“.
„Brauchen Praktiker“
Im Jahr 2003 wechselte er von der Wiener Polizei in die Sicherheitsdirektion in St. Pölten. Für viele eine große Überraschung, weil ihn in Niederösterreich kaum jemand kannte. Er dürfte auch nicht im Innenministerium die erste Wahl gewesen sein. Dann allerdings soll der Auftrag von Ex-Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) an den damaligen Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) gekommen sein, dass er „einen Praktiker“ haben will.

Franz Prucher war beim Opernball im Jahr 2000 als Aufsichtsorgan eingeteilt worden, als plötzlich der Schauspieler Hubsi Kramar beim Haupteingang als Hitler verkleidet aus einem Auto stieg.
Diesen Ruf hatte Prucher in Wien, auch wenn er sich so oft das Leben schwer machte. Er ordnete im Jahr 2000 beim Opernball an, dass der Schauspieler Hubsi Kramar und sein Chauffeur verhaftet werden, weil Kramar vor der Staatsoper als Hitler verkleidet gegen die schwarz-blaue Regierung protestierte. Die Anzeige wegen Wiederbetätigung blieb folgenlos, Kramar mimt mittlerweile im Tatort einen Polizisten. Prucher ließ auch trotz Bombendrohung einen Ball in der Hofburg durchführen, weil ihm der Anruf komisch vorgekommen war. Alles ging gut, aber: „Danach habe ich einige Nächte nicht schlafen können.“
Der Fall Hubsi Kramar
Franz Prucher war beim Opernball im Jahr 2000 als Aufsichtsorgan bei der Staatsoper eingeteilt worden, als plötzlich der Schauspieler Hubsi Kramar beim Haupteingang als Hitler verkleidet aus einem Auto stieg. Prucher ordnete sofort die Festnahme an. Mit seiner Anzeige wegen Wiederbetätigung hatte er aber wenig Erfolg.
Der Fall Hirtzberger
Mit einer Praline wurde im Jahr 2008 der ehemalige Bürgermeister von Spitz an der Donau, Hirtzberger, vergiftet. Als Täter wurde Helmut O. zu lebenslanger Haft verurteilt. Dessen Versuche, das Verfahren wieder aufzurollen, blieben erfolglos.
Der Fall Fritzl
24 Jahre hielt Josef Fritzl seine Tochter im Keller gefangen und zeugte mit ihr sieben Kinder. 2008 flog er auf.
Der Fall Annaberg
Drei Polizisten und einen Sanitäter tötete 2013 der Wilderer Alois Huber in der Nähe von Annaberg im Bezirk Lilienfeld, ehe er in seinem Geheimversteck im Bezirk Melk selbst ums Leben kam. Heute erinnert noch ein Gedenkstein an diese Nacht.
Der Fall Traiskirchen
Bei der großen Flüchtlingsbewegung im Jahr 2015 war Niederösterreichs Polizei besonders gefordert, weil das Asyllager in Traiskirchen völlig überfüllt und die Lage dort extrem angespannt war. Franz Prucher: „Unsere Polizisten waren in diesem Jahr auch in fast allen anderen Bundesländern zur Unterstützung im Einsatz.“
"Eine Polizei die nichts darf, ist nichts wert"
In Niederösterreich blieb er seinem Führungsstil treu. „Führung bedeutet, dass man im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit auch agiert und nicht herumnudelt“, sagt Prucher. Oder: „Eine Polizei, die nichts darf, ist nichts wert. Das Recht darf nicht dem Unrecht weichen, hier muss man der Polizei den Rücken stärken.“
Das vertrat Prucher auch, wenn es um Schusswaffengebrauch ging. Im Innenministerium machte er sich damit nicht viele Freunde. Als bei einem Schusswechsel ein Mitglied einer ausländischen Bande, die auf Autobahnrastplätzen als falsche Polizisten Autofahrer beraubten, getötet wurde, teilte die Öffentlichkeit die Kritik an den Ermittlungen der Justiz gegen den Schützen. Als ein Polizist in einem Kremser Supermarkt einen jugendlichen Einbrecher erschoss, schlug die Stimmung ins Gegenteil um.
Polizeilaufbahn in Wien
Am 1. Juli 1976 war er in die Bundespolizeidirektion Wien eingetreten. Neben seinem Dienst studierte er Rechtswissenschaften, was er 1980 mit dem Magistertitel abschloss. Zwei Jahre später folgte dann der Doktortitel. In Wien wurde er zu Beginn in den Polizeikommissariaten Simmering, Favoriten, Wieden und Mariahilf eingesetzt. 2003 übernahm er für kurze Zeit das Bezirkspolizeikommissariat Fünfhaus
Polizeilaufbahn in NÖ
Am 18. Februar 2003 machte ihn der damalige Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) zum Sicherheitsdirektor von NÖ. Nach der Polizeireform war er ab 2012 der erste Polizeidirektor des Landes. 2017 wechselte er in die Generaldirektion für Öffentliche Sicherheit
Franz Prucher war in NÖ der letzte Sicherheitsdirektor und der erste Landespolizeidirektor. 2017 folgte ihm Konrad Kogler in dieser Funktion. Bekannt war Prucher nicht nur für seine martialischen Sprüche, sondern auch für sein konsequentes Handeln. Nach fast 45 Dienstjahren tritt er am 1. Dezember seinen Ruhestand an. Dann will er an einem Buch über all jene spektakulären Fälle arbeiten, die sein Polizeileben geprägt haben. Prucher: „Ich habe Dinge erlebt, die man sonst nicht erlebt.“
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