Para-Ski-Guide Lisi Aigner: Die Nebenrolle im Mittelpunkt
Elisabeth Aigner (21) steht nicht gern im Mittelpunkt. Das überlässt sie lieber ihrer Schwester Veronika (17). Für das Interview mit dem KURIER nimmt sie die Aufmerksamkeit zumindest kurz auf sich. Denn eigentlich will die 21-Jährige nur Ski fahren, verrät sie. Ihre Solokarriere startet sie nun bei der Polizei.
KURIER: Seit 1. September sind Sie Teil der Polizei Niederösterreich. Wie kommt das? Elisabeth Aigner: Bei der Polizei lassen sich Beruf und Spitzensport gut kombinieren, genauso wie beim Zoll und beim Heer. Ich habe in den vergangenen zwei Jahre darum gekämpft, bei der Polizei genommen zu werden – als Guide ist man ja nie allein unterwegs, sondern immer als Team. Die Polizei nimmt aber niemanden mit einer Behinderung auf. Schließlich durfte ich doch die Aufnahmeprüfung machen, von 71 Sportlern haben sie fünf genommen, darunter mich als ersten Guide. Ich habe damit auch den Weg ein wenig leichter gemacht für alle, die nun nach mir kommen.
War das schon immer Ihr Wunschberuf?
Ja, das wusste ich schon in der zweiten Klasse in der Hauptschule. Man erlebt viel Abwechslung. Auswendig lernen konnte ich auch schon immer gut, und das Beste: Man trägt eine Uniform und muss sich nie Gedanken darüber machen, was man anzieht.
Sieht man Sie also bald auf Streife in Gloggnitz?
(Lacht.) Am Anfang muss jeder mal eine Zeit lang auf der Straße arbeiten. Später möchte ich aber die Ausbildung zur Alpinpolizei machen oder den Hubschrauberschein. Aber das dauert noch: Unsere Grundausbildung neben dem Sport dauert fünf statt sonst zwei Jahre.
Die 21-Jährige aus Gloggnitz (Bezirk Neunkirchen) ist als Guide ihrer sehbeeinträchtigten, vier Jahre jüngeren Schwester Veronika mehrfache Staatsmeisterin, Europacup- und Weltcupsiegerin im Slalom bzw. Riesentorlauf im Para-Ski. Nächstes großes Ziel sind die Paralympics in Peking 2022. Aktuell absolviert Aigner die Polizeiausbildung. Auch ihre ebenfalls sehbeeinträchtigten Geschwister Johannes und Barbara sind im Skisport aktiv
Was macht Ihre Schwester Veronika?
Die ist jetzt auf Trainingslager in der Schweiz. Abseits vom Sport absolviert sie eine Lehre zur Handelskauffrau, möchte nun aber die Aufnahmeprüfung für den Zoll absolvieren.
Wenn man so viel Zeit miteinander verbringt wie Sie beide – wie oft gibt es da Reibereien? Als Schwestern und „Arbeitskolleginnen“?
Das fragen uns viele. Aber nein, wir streiten eigentlich nie. Und das, obwohl sie gerade richtig in der Pubertät ist (lacht).
Was ist sportlich Ihr nächstes großes Ziel?
Eindeutig die Paralympics 2022 in Peking. Heuer beginnen wir mit den Speed-Disziplinen Super-G und Abfahrt. Davor waren wir nur im Riesentorlauf und Slalom aktiv, weil Vroni noch zu jung war. Deswegen wäre es toll für uns, wenn die WM in Norwegen heuer stattfindet, da könnten wir erstmals in diesen Disziplinen starten.
Die Unsicherheit, welche Rennen stattfinden können, ist ja heuer besonders groß. Wie gehen Sie damit um?
Die ersten Rennen, die wären in Holland in einer Halle gewesen, wurden bereits abgesagt. Wir hätten für heuer Rennen in Russland, Spanien und eben die WM in Norwegen geplant. Aber das kann sich täglich ändern. Trotzdem stellen wir uns mental darauf ein, dass sie stattfinden. Sonst fehlen Ziel und Motivation beim Training.
Sie waren auch als Einzelfahrerin recht erfolgreich. Wie kam es zur Entscheidung, lieber im Team im Para-Ski mit Ihrer Schwester zu starten als eine Solokarriere weiter zu verfolgen?
Der Einzelwettkampf hat mir zu wenig gegeben. Ich mochte auch die ganze Aufmerksamkeit nicht. Mit Vroni freue ich mich jedes Mal und bin so stolz auf uns beide nach einer geschafften Abfahrt. Ich habe die Ausbildung zum Guide gemacht und weiß ein bisschen, wie es sich anfühlt, kaum etwas zu sehen. Ich könnte nie so fahren wie sie. Dafür bewundere ich sie wirklich.
Unabhängigkeit ist Ihnen aber wichtig?
Sehr. Deswegen habe ich auch meine eigene Wohnung in Gloggnitz und nun auch meinen eigenen Beruf. Aber ich will trotzdem für meine Familie da sein. Auch meine Mama und meine Geschwister sind zum Teil sehbeeinträchtigt und brauchen bei vielen alltäglichen Dingen einfach Hilfe. Und ich kenne es auch gar nicht anders. Ich mag eben nur die Aufmerksamkeit nicht. Da passt der Teamsport viel besser zu mir. Ich will eigentlich nur Ski fahren, meine Leistung erbringen – aber natürlich auch gewinnen.
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