Nur im Extremfall Schüsse auf Wolf

Die nö. Landesregierung beschließt Verordnung, WWF kritisiert „Freibrief für Abschüsse“

Knapp 120 Jahre, nachdem der letzte Wolf in Niederösterreich erlegt wurde, dürfen ihn niederösterreichische Jäger unter bestimmten Voraussetzungen wieder ins Visier nehmen. Am Dienstag ist die Verordnung für den Umgang mit „Problemwölfen“ in der Sitzung der Landesregierung einstimmig beschlossen worden; bis Ende der Woche soll sie in Kraft treten. Darin ist etwa geregelt, wann der Abschuss per Bescheid angeordnet werden muss. Als Orientierung dient ein vierstufiges Ampelsystem, in dem die Kriterien und Maßnahmen genau festgeschrieben sind. Der WWF spricht von einer „Schnellschuss-Aktion“ und kritisiert, dass es seit sechs Jahren verabsäumt wurde, den Herdenschutz ordentlich zu fördern.

Kategorien

Abhängig vom Verhalten des Wolfs gibt es laut Verordnung die Kategorien „unbedenklich“ (grün), „auffällig“ (gelb), „unerwünscht“ (rot) und „problematisch“ (schwarz). Mehr als 30 Szenarien sind nach Schweizer und brandenburgischem Vorbild erarbeitet und ausformuliert worden: Wenn beispielsweise ein Wolf ein nicht sachgerecht geschütztes Nutztier am hellen Tag tötet, wird das Verhalten als „unbedenklich“ eingestuft. Tötet er einen Hund bei einem gelegentlich bewohnten Gebäude, sind Bürgerinformationen, Überwachung und Vergrämungsmaßnahmen mit Gummigeschoßen vorgesehen. Taucht der Wolf allerdings mehr als zwei Mal während der Aktivitätszeit des Menschen in Siedlungen auf oder tötet dort einen Hund, wird das als „problematisch“ angesehen – dann muss die zuständige Bezirkshauptmannschaft einen Abschuss anordnen. Schon im vergangenen September ist das nö. Jagdgesetz (§ 100a) dahingehend abgeändert worden. Sobald ein Vorfall bei der Polizei oder Gemeinde gemeldet wird, ergeht eine Information an die Behörde und die muss entscheiden, was zu tun ist.

„Die Sicherheit der Bevölkerung hat oberste Priorität. Wenn ein Wolf gefährlich ist, müssen wir vorbereitet sein“, sagt Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP). Zwar hat es in Österreich bisher keine Übergriffe auf Menschen gegeben, dennoch könne keiner das Risiko ganz ausschließen. Er verweist auf einen Fall in Niedersachsen, bei dem ein Arbeiter von einem Wolf – eine Bestätigung gibt es dafür noch nicht – gebissen und verletzt worden sein soll. Bisher gibt es hierzulande ausschließlich Vorfälle mit Tieren – seit Jahresbeginn sind in Niederösterreich 75 Schafe und Rehe gerissen worden.

Warum nicht mehr in Sachen Herdenschutz getan wird, beantwortet Pernkopf so: „Umzäunungen kann man vergessen. Es gibt Fälle, da hat der Wolf einen massiven Zaun überwunden.“ Selbst im Management-Plan sei das „Entfernen“ von gefährlichen Wölfen vorgesehen.

Die Naturschutzorganisation WWF bezweifelt, dass Wölfe Zäune überwinden, und beklagt fehlende Strategien in Niederösterreich: „Wichtig wäre faktenbasierte Kommunikation, Information und Bewusstseinsbildung“, sagt Artenschutz-Experte Arno Aschauer. Auf Basis willkürlicher Zahlen und Kriterien werde ein „Freibrief für Abschüsse“ ausgestellt, der EU-Recht widerspreche und den Managementplan vernachlässige. Die Schweiz müsse auch beim Herdenschutz als Vorbild dienen. Dort gebe es Förderungen, sagt Aschauer.

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