"Strafzettelkaiser" auf Abwegen muss zweieinhalb Jahre hinter Gitter

NIEDERÖSTERREICH: PROZESS UM MISSBRAUCH DER AMTSGEWALT UND GELDWÄSCHEREI GEGEN 56-JÄHRIGEN, DER ALS POLIZIST JAHRELANG BUSSGELDER UNTERSCHLAGEN HABEN SOLL
Mindestens 14.700 Euro an Bußgeldern soll Beamter im südlichen Niederösterreich abgezweigt haben. Seine Verteidigung: Burnout. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Er galt als "Strafzettelkaiser" im Bezirk Wiener Neustadt. Mehr als 1.000 Organmandate stellte der 56-jährige als Polizist in manchen Jahren aus. Doch nur ein Teil des Geldes soll danach auch in die Staatskasse geflossen sein. Mindestens 14.700 Euro habe der Ex-Polizist selbst eingesteckt, lautete die Anklage, der er sich am Landesgericht Wiener Neustadt stellen musste.

Am heutigen Dienstag wurde der Mann zu zweieinhalb Jahren unbedingter Haft verurteilt. Nicht rechtskräftig, weil der Ex-Polizist dagegen Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde anmeldete.

"Tüchtiger Polizist"

Ehemalige Kollegen beschrieben den Mann im Zeugenstand als sehr engagiert und pflichtbewusst. Sein früherer Vorgesetzter bezeichnete ihn als „einen der tüchtigsten Verkehrspolizisten, den sich die Republik wünschen kann“. Er habe „70 Prozent der Organmandate vom ganzen Bezirk“ ausgestellt, berichtete der Zeuge. 

In mindestens 484 Fällen soll der Angeklagte diese Organmandate aber ganz gezielt manipuliert haben, wirft ihm die Staatsanwältin vor. Indem er keinen Durchschlag anfertigte und die eingetragene Summer nachträglich veränderte. 

Die wahre Anzahl der Fälle sei vermutlich deutlich höher, denn nur rund ein Drittel der vom 56-Jährigen benutzten Blöcke sei letztlich ausgewertet worden: "Und wir haben nur wirklich jene Fälle angeklagt, die ganz klar waren", betont die Anklägerin. "Zwei Drittel wurden nicht mehr im Detail angeschaut, weil die Ermittlungen sonst noch jahrelang gedauert hätten." 

Manipulationen gestand der Ex-Polizist vor Gericht ein, er bestritt jedoch, das Geld für sich abgezweigt zu haben. Vielmehr sei Überforderung in Kombination mit psychischen Problemen die Ursache für sein Fehlverhalten gewesen. Nach einem Sturz mit Kopfverletzung im Jahr 2019 seien massive psychische Beeinträchtigungen aufgetreten, er habe aber dennoch weiterhin seinen Dienst versehen. „Ich habe nicht eingesehen, dass ich krank bin“, behauptete er. 

"Hätte in Krankenstand gehen sollen"

Aufgedeckt wurde sein Vorgehen letztlich von einem Kollegen, dem Unregelmäßigkeiten bei der Handhabung von Strafmandaten aufgefallen waren. Vorgeworfen wurde dem Angeklagten auch, Gegenstände und Dokumente wie Führerscheine oder gefälschte Kennzeichen nicht ausgefolgt oder an die zuständige Stelle weitergeleitet, sondern in seinem Spind deponiert zu haben. 

"Ich hätte in Krankenstand gehen sollen, aber ich wollte es mir nicht eingestehen", sagte der Angeklagte. "Meine Eltern und mein Vorgesetzter haben mir beigebracht, dass man immer 100 Prozent geben muss und man seine Kollegen nicht im Stich lässt. Daran habe ich mich gehalten." Auch die Aussagen der unzähligen Zeugen - Lenker, die von ihm angehalten worden waren - verfolgte der Mann am Landesgericht Wiener Neustadt sehr genau, machte sich jeweils Notizen, um danach Anmerkungen oder Korrekturen vorzunehmen.

"War immer freundlich"

So betonte er etwa nach der Aussage eines Zeugen, der ihn als unwirsch im Umgang beschrieben hatte: "Ich war immer freundlich bei Amtshandlungen. Zu jungen Kollegen, die unfreundlich mit Lenkern gesprochen haben, habe ich sogar oft gesagt: Das sind ja keine Schwerverbrecher."

Gutachter Manfred Walzl attestierte dem Angeklagten eine "akzentuierte Persönlichkeit" und ein Überforderungssyndrom. Dies könne die Zurechnungsfähigkeit gering einschränken. Eine schwerwiegende Persönlichkeitsstörung oder ein Burn-out sah der Sachverständige aber nicht. 

Eine Flut an Zeugen

Im Prozess kam eine Vielzahl an Zeugen zu Wort - für sie wurde am Landesgericht sogar ein eigener Verhandlungssaal zum Warteraum umfunktioniert.

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