Uralte Tradition: „Hiataeinzug“ in Perchtoldsdorf

Hiateinzug
Das Brauchtum wird in der Gemeinde südlich von Wien nach über 600 Jahren noch immer hochgehalten.

Als es galt, die mit viel Mühe gehegten und gepflegten Trauben in den Weingärten vor Dieben zu schützen, schickten Perchtoldsdorfs Weinhauer einst die „Hiata“ – Hüter der kostbaren Früchte – los. Sie bewohnten während der Reifezeit der Trauben einige Wochen lang die eigens in den Weingärten errichteten „Hiatahittn“. Nach erfolgreicher Ernte wurde dann groß gefeiert.

➤ Über 600 Jahre Tradition: Das größte Weinfest Österreichs

Ab Mitte des 20. Jahrhunderts verlor die Aufsichtsfunktion der Hiata nach und nach an Bedeutung, die Hütten verwaisten. Die Tradition hat sich im Weinort südlich von Wien aber bis zum heutigen Tage erhalten. Im vergangenen Jahr beging man das große Jubiläum „600 Jahre Hiataeinzug“. Und auch heuer geht das Spektakel am 12. November in Perchtoldsdorf wieder über die Bühne – traditionell am ersten Sonntag nach St. Leonhard, dem Schutzpatron der Weinhauer. Es ist Brauchtum, das nach alten Überlieferungen gepflegt wird. Dazu wählen die Winzer aus ihren Reihen einen „Hiatavater“ und rund um ihn weitere Funktionen.

Familienangelegenheit

Die zentrale Aufgabe fällt heuer Josef „Pepi“ Schmid zu. Und er darf sich dabei über eine ganz besondere Konstellation freuen: Sein Sohn Christoph wird in diesem Jahr die „Pritschn“ tragen – eine eigens angefertigte, rund 80 Kilogramm schwere Erntekrone. Ebenfalls eine der wichtigsten Funktionen im Rahmen des Hiataeinzuges. „Das ist natürlich eine große Ehre. Es ist ein richtig durchdringendes Gefühl, wenn er die Pritschn zu uns nach Hause bringt“, sagt Schmid.

Dass das Fest also sozusagen zur Familienangelegenheit wird, ist selten. Und doch gab es den Fall im Hause Schmid bereits zuvor: Denn Pepi trug die Pritschn im Jahre 1991, als sein Vater die Funktion des Hiatavaters innehatte. Nun freut er sich selbst über die Aufgabe: „Man ist nur einmal im Leben Hiatavater und ich versuche natürlich, das Bestmögliche daraus zu machen, jeden Moment zu genießen“, meint er schmunzelnd.

Perchtoldsdorf Hiataumzug

Der Weinbau hat in Perchtoldsdorf einen hohen Stellenwert

Eine Woche Vorlauf

Schon die gesamte Woche vor dem großen Ereignis verbringen die Auserkorenen großteils miteinander und treffen Vorbereitungen für Österreichs größtes traditionelles Erntedankfest. „Das beginnt am Montag mit dem Weinsammeln im Ort für den Pfarrer als Messwein“, erzählt Schmid. „Weil wir heuer einen neuen Pfarrer und einen neuen Kaplan haben, gehen die beiden mit und lernen dabei alle Haurer kennen.“

Am Mittwoch folgt das „Herz-Machen“: „Da wird bei uns ein Herz aus Stroh und Nuss für die Pritschn gebunden.“ Am Donnerstag zieht die Schar dann noch einmal zum Weinsammeln los. Diesmal für den Gratis-Ausschank am Sonntag auf dem Marktplatz. Der Freitag steht im Zeichen des Eichenlaub-Sammelns der Hiata für die Pritschn, die dann am Samstag gemeinsam angefertigt wird – darauf folgt die große Vorfeier für den Festsonntag.

Festgelegter Ablauf

Bereits Ende August wurden von den Hiatan die sogenannten Hutbäume in den Weingärten aufgestellt. Am Sonntag zieht die Schar der Hauer dann durch den Ort. Es gibt eine Festmesse in der Pfarrkirche und anschließend das ebenso traditionelle „Gstanzl-Singen“ am Marktplatz, bei dem markante Ereignisse des vergangenen Jahres humorvoll aufgearbeitet werden. In einem Gstanzl erwähnt zu werden, gilt in Perchtoldsdorf als Ehre.

Das Fest lockt alljährlich mehrere Tausend Gäste in den Ort. Zum Mittagessen lädt der Hiatavater Hauerkollegen und ihre Familien in seinen Weinbaubetrieb ein. „Ungefähr 180 Personen“, verrät er. Dazu zählen heuer unter anderem auch Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf und Weinbaupräsident Johannes Schmuckenschlager. Am Abend wird dann gemeinsam der Ausklang gefeiert, am Montag gibt es noch eine Abschlussfeier.

Nachwuchssorgen habe man keine, sagt Perchtoldsdorfs Weinbauvereinsobmann Toni Nigl. „Schon die Kinder warten darauf, endlich mitmachen zu dürfen.“ Im Vorjahr hat man deshalb sogar einen eigenen Kinder-Einzug organisiert. Und Nigl freut sich, dass „sich trotz der unmittelbaren Nähe zu Wien ein lebendiges Brauchtum erhalten hat, das von einer begeisterten Weinhauerjugend getragen wird.“

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