Über 600 Jahr Tradition: Das größte Weinfest Österreichs
Wenn der Herbst in den Weingärten um Perchtoldsdorf im Bezirk Mödling Einzug hält, kommt auch die Zeit, in der jahrhundertealtes Brauchtum im Ort zelebriert wird. Denn direkt an der südlichen Stadtgrenze Wiens feiert man Österreichs größtes, traditionelles Erntedankfest mit seinem Höhepunkt, dem „Hiataeinzug“. Und das bereits seit 600 Jahren.
Zum Jubiläum hat man sich heuer einiges einfallen lassen.
Von Anfang September bis Ende November erstreckt sich die „Huatzeit“ (Alle Details unter www.hiataeinzug.at). Den musikalischen Auftakt bildet an diesem Wochenende das „Klingende Perchtoldsdorf“ bei allen Heurigen. Am 11. September folgt ein „Tag der offenen Hiatahütten“ mit Blasmusik und Führungen durch die Weingärten.
Eine der traditionellen Funktionen im Zuge des Hiataeinzuges übernehmen zu dürfen, ist so etwas wie ein Ritterschlag im von uralten Weinhauer-Traditionen geprägten Ort im Süden Wiens. Einmal „Hiatavater“ gewesen zu sein, stellt für Mitglieder der rund 40 Hauerfamilien einen Höhepunkt ihres Berufslebens dar. Wer als „Pritschnträger“ auserwählt wird, trägt nicht nur symbolisch große Verantwortung. Denn die rund 80 Kilogramm schwere Erntekrone muss nicht nur einen ganzen Tag lang durch den Ort getragen, sondern dabei auch noch in Drehung versetzt werden. „Wenn dir die Pritschn dabei einmal hinunterfällt, hörst du das dein ganzes Leben lang“, versichert Weinhauer Karl Nigl mit einem Schmunzeln.
Zusammengehörigkeit
Doch es gibt alljährlich noch zahlreiche weitere Ämter rund um den Hiataeinzug zu besetzen, angefangen von den „Hiatabuam“ – alle nach einem fest vorgegebenen System. Daher nimmt die unmittelbare Vorbereitung des großen Festtages (heuer am 6. November) auch eine ganze Woche in Anspruch. Begonnen wird mit dem Aufstellen der Hiatabäume in den Weingärten, danach folgt unter anderem das Binden der Erntekrone oder auch das traditionelle „Gstanzlsingen“, bei dem ganz öffentlich auf markante Vorkommnisse des vergangenen Jahres Bezug genommen wird. Nicht immer schmeichelhaft oder zurückhaltend – und doch fühlt sich der Perchtoldsdorfer geehrt, wenn sein Name dabei genannt wird.
Der „Hiataeinzug“ – seit 2010 als immaterielles Kulturerbe anerkannt – geht auf die früher zum Schutz der Trauben in den Weingärten stationierten Weinhüter zurück. Diese bewachten die Rieden während der Reifezeit vor Dieben. Heute fürchten die Hauer eher Wildschäden – vor allem durch Wildschweine, aus dem angrenzenden Wienerwald
40 Weinhauerfamilien bewirtschaften in Perchtoldsdorf 160 Hektar Rebflächen am Südosthang des Wienerwaldes. Das Terroir ähnelt jenem von Burgund
„Es ist Brauchtum, das alle Generationen einbindet. Man ist während dieser Woche fast ununterbrochen zusammen. Das schafft ein ungeheuerliches Zusammengehörigkeitsgefühl“, betont Weinhauer und Gemeinderat Karl Brodl, der selbst bereits Hiatavater war – eine Aufgabe, die unter anderem beinhaltet, die mehr als 100 Personen zählende Schar des Organisationskomitees im eigenen Haus zu bewirten.
Junge warten schon
„Nachwuchssorgen haben wir keine“, sagt Perchtoldsdorfs Weinbauvereinsobmann Toni Nigl stolz. „Schon die Kinder warten darauf, endlich mitmachen zu dürfen.“ Heuer hat man deshalb sogar einen eigenen Kinder-Einzug organisiert. Und Nigl freut sich, dass „sich trotz der unmittelbaren Nähe zu Wien ein lebendiges Brauchtum erhalten hat, das von einer begeisterten Weinhauerjugend getragen wird.“ Er stellt klar: „Der Hiataeinzug ist kein touristisches Fest, sondern eine Veranstaltung der Familien im Ort und ihrer Stammgäste.“ Und doch füllen am großen Festtag alljährlich mehrere Tausend Menschen die Straßen des Ortes.
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