Aufregung gab es um den mit mehr als 31 Millionen Euro dotierten Corona-Fonds, um die finanzielle Unterstützung für die Wirte, die von manchen spöttisch als „Schnitzel-Prämie“ bezeichnet wurde, und auch um die geschlechtergerechte Sprache. Als die Freiheitlichen ankündigten, „den Wahnsinn des Genderns“ beenden zu wollen, musste die ÖVP ausrücken, um klarzustellen, dass man sich weiterhin an das amtliche Regelwerk des Rates der deutschen Rechtschreibung halten werde.
Blaue Handschrift?
Aber auch gerade deshalb wurden rasch Stimmen laut, dass der Pakt zwischen ÖVP und FPÖ vor allem eine blaue Handschrift trage. „Das Paradoxe ist, dass – ob gewollt oder ungewollt – medial viel zu sehr zwei Themen im Vordergrund standen, die für die Zukunft des Landes sicher nicht entscheidend sind. Einerseits die Rückzahlung von Coronastrafen und andererseits die geschlechtergerechte Sprache. Die eigentliche Hauptfrage, in welche Richtung sich Niederösterreich wirtschaftlich und sozial entwickelt, trat dadurch völlig in den Hintergrund“, sagt dazu der Politologe Peter Filzmaier.
So turbulent die ersten Wochen und Monate nach Wahl verliefen, so ruhig ist es mittlerweile um Schwarz-Blau geworden. Das liegt auch an der FPÖ, die betont zurückhaltend agiert. Polit-Beobachter glauben, dass der überraschend defensive Stil mit der kommenden Nationalratswahl zusammenhängen könnte. Heißt der Bremser gar Herbert Kickl?
"Durchaus kluge Strategie"
Der FPÖ-Bundesparteichef hat Kanzler-Ambitionen, seine Partei liegt derzeit in den Umfragen weit vorne. Unruhe kann er deshalb keine gebrauchen. Gut möglich, meint Filzmaier, betont aber: „Es kann jedoch auch ganz banal den Grund haben, dass sich die FPÖ-Regierungsmitglieder in Niederösterreich mit ihren Büros statt allzu großmäuliger Ansagen betont vorsichtig in neue Zuständigkeitsbereiche einarbeiten, um nicht durch Fehler oder peinlichen Hoppalas den anderen Parteien Munition für den Nationalratswahlkampf zu liefern.“
Filzmaier erinnert in diesen Zusammenhang an den früheren FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl, der nun Zweiter Landtagspräsident ist. „Dieser Bruch mit dem Stil Waldhäusels – er lieferte immer wieder nicht sehr überlegt wirkende Kommentare, die es in die Schlagzeilen schafften – wäre tatsächlich eine durchaus kluge Strategie“
Die Mitte-Rechts-Partei
Dass es derzeit vor allem Johanna Mikl-Leitner ist, die in Sachen Integration harte Worte wählt, vor einer „Radikalisierung in den Schulen“ warnt und Geldstrafen für „integrationsunwillige Familien“ fordert, wundert Filzmaier nicht.
„Die FPÖ ist klar rechts, die ÖVP eine Mitte-Rechts-Partei. Da ist es ja logisch, dass die Landeshauptfrau keinen linken Gegenstandpunkt einnimmt, sondern stattdessen versucht, Themen wie Asyl und Migration – was zwei verschiedene Dinge sind – der FPÖ wenigstens ein bisschen wegzunehmen.“
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Spannend ist der Ausblick auf das zweite Jahr des schwarz-blauen Bündnisses, das „keine Liebeshochzeit“ (Mikl-Leitner) war. Zum einen stehen die EU-Wahl und die Nationalratswahl an, im Jänner 2025 wird dann in den Gemeinden in NÖ gewählt. Filzmaier spricht von „drei undankbaren Wahlen“ für Mikl-Leitner, „obwohl sie selbst nicht einmal antritt und erwartbare ÖVP-Verluste also kaum ihre Schuld sein können“.
„Marketing-Gag
Die Wahl hat also die politische Landschaft zwischen Enns und Leitha verändert. Einen Umbruch gab es zudem in der SPÖ, Ex-AMS-Chef Sven Hergovich führt nun die Partei. Er sieht sich als „Kontroll-Landesrat“ und betreibt Frontal-Opposition.
Hier ortet Filzmaier einen „Widerspruch in sich“, weil die Sozialdemokraten zwar aufgrund des Proporzsystems Teil der Regierung sind, Hergovich in dieser aber als Kontrollor auftritt. „Wenn man sich als reine Opposition versteht, hätte die SPÖ sich eher weigern müssen, die ihr zustehenden Landesratsposten zu besetzen.“ Alles andere sei bloß „eine Kommunikationsstrategie oder ein Marketing-Gag“.
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