Mit Jahreswechsel hat ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (NÖ) den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz übernommen. Ehe Ende September ein neuer Nationalrat gewählt wird, wünscht sie sich von der Bundesregierung noch Maßnahmen für die Wirtschaft. Ein Klimaschutzgesetz ist ihr weniger wichtig.
KURIER: Sie haben den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz in den wohl letzten sechs Monaten, in denen die türkis-grüne Regierung noch Maßnahmen setzen wird. Was muss Ihrer Meinung nach noch passieren?
Johanna Mikl-Leitner: Es gibt genug zu tun. Zaghaft wird die Wirtschaft wieder aus der Rezession herauskommen. Nach Corona-Pandemie, Energiekrise und Rekord-Inflation gibt es für die Menschen in Österreich aber erstmals seit Langem wieder die Chance auf eine positive Perspektive. Die Gewissheit, dass es bei uns gut weitergeht, brauchen Betriebe, um zu investieren. Und diese Gewissheit muss auch die Bundesregierung in den kommenden Monaten vermitteln und noch weiter stärken. Mit Worten, aber auch mit Taten.
Was zum Beispiel erwarten Sie sich da konkret von der Regierung?
Wirtschaftsminister Martin Kocher hat sich kürzlich für eine Senkung der Lohnnebenkosten ausgesprochen. Ich halte diesen Vorschlag für höchst sinnvoll. Er würde den Arbeitnehmern nicht nur mehr Netto vom Brutto bringen, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe erhöhen.
Ist ein Klimaschutzgesetz das wichtigste Anliegen?
Beim Klimaschutz helfen positive Anreize für die Bevölkerung und die Wirtschaft mehr als Zwänge und Verbote. Derzeit gewinnen viele Bürgerinnen und Bürger immer mehr den Eindruck, dass Klimaschutz ausschließlich mit Verzicht und persönlichen Nachteilen einhergeht. Ich denke da an die Diskussion um die Pendlerhilfen: Was versteht man denn unter einer Ökologisierung der Pendlerpauschale? Dass jemand, der täglich weite Strecken in die Arbeit fährt, künftig Einschnitte erfährt, was denn sonst. Dazu sage ich nein. Denn die 700.000 Pendlerinnen und Pendler in Niederösterreich können nicht einfach auf U-Bahn oder Lastenfahrrad umsteigen, um in die Arbeit zu kommen.
Im Vorjahr wurde zwischen Bund und Ländern eine Gesundheitsreform verhandelt. Wird das der große Wurf – auch bezüglich Ihrer Bestrebungen im Hinblick auf Landarztpraxen?
Ja, das ist sinnvoll. Ab dem kommenden Studienjahr werden Studienplätze in Humanmedizin speziell für Personen gewidmet, die dazu bereit sind, als Ärztinnen und Ärzte in Spitälern oder in Kassenarztpraxen zu arbeiten. Das ist ein Baustein, im Gesundheitsbereich stehen uns insgesamt große Herausforderungen bevor. Daher sollten wir auch endlich den Numerus-clausus-Flüchtlingen aus Deutschland einen Riegel vorschieben. Dazu habe ich bereits vor ein paar Monaten ein Expertengutachten vorgelegt, welches auf eine Umsetzung wartet. In Zeiten des Ärztemangels hat niemand dafür Verständnis, dass wir auf unseren Universitäten den Ärztenachwuchs für unsere deutschen Nachbarn ausbilden.
Gibt es noch spezielle Forderungen der Landeshauptleute an die amtierende Bundesregierung?
Wir sollten das Ehrenamt mit zusätzlichen Anreizen stärken. Denn das Freiwilligenwesen hilft doppelt: Jene, die sich freiwillig engagieren, tragen wesentlich zum Funktionieren unserer Gesellschaft bei, sei es bei der Feuerwehr oder in der Altenpflege. Und ehrenamtliches Engagement hilft auch bei der Integration von Zuwanderern. Denn Freiwilligenarbeit gehört zum Selbstverständnis unseres Zusammengehörigkeitsgefühls und damit auch unseres Heimatgefühls. Das Engagement für die Gemeinschaft trägt dazu bei, dass man Teil dieser wird. Deswegen wollen wir im Zuge des Landeshauptleute-Vorsitzes Maßnahmen entwickeln, um das Ehrenamt weiter zu stärken.
Ihre Forderungen an die Justizministerin bezüglich härterer Strafen für Klimakleber wurden noch nicht erfüllt.
Und das ist ein schwerer Fehler. Denn mittlerweile hat sogar die Verkehrsministerin erkannt, dass die rücksichtslose Radikalität der Klimakleber den wichtigen Anliegen des Klimaschutzes schadet. Daher brauchen wir härtere Strafen, die eine abschreckende Wirkung auf diese Klima-Chaoten haben. Wir dürfen nicht warten bis Menschen durch diese völlig aus dem Ruder gelaufenen Protestaktionen ernsthaft zu Schaden kommen.
Bei den Straßenbauprojekten wie etwa dem Lobautunnel oder bei der Marchefeld-Schnellstraße S8 erwarten Sie auch keine Maßnahmen mehr von Ministerin Leonore Gewessler?
Das Parlament hat vor Jahren den Ausbau der S1 und des Lobau-Tunnels beschlossen. Gesetze haben in Österreich keinen Hinweischarakter – sie sind umzusetzen. Auch von der Verkehrsministerin. Und auch wenn die Grünen offenbar der Meinung sind, in der Verkehrspolitik parteitaktischen Zielen verpflichtet zu sein und nicht dem Gesetz. Wir erwarten, dass sich jeder an die Gesetze hält. Das gilt auch für Leonore Gewessler.
Sie haben noch vor Weihnachten stark auf die Themen Integration und Toleranz gesetzt. Was sind da Ihre Erwartungen?
Wir sind mittlerweile in ganz Europa an einem Wendepunkt angelangt. Nachdem in deutschen Städten für das Kalifat und die Scharia demonstriert wird, hat mittlerweile sogar die deutsche Ampel-Regierung erkannt, dass es so nicht weitergehen kann. Solche Zustände will ich in Österreich nicht. Aber die Zunahme von antisemitischen Vorfällen bei uns in Österreich macht mir große Sorgen. Daher brauchen wir härtere Strafen für integrationsunwillige Eltern im Schulbereich, und wir müssen Doppelstaatsbürgern, die zum Beispiel wegen Verhetzung verurteilt wurden, die Staatsbürgerschaft wieder entziehen können. Wir müssen endlich damit beginnen, die Intoleranten nicht weiter zu tolerieren.
Manche vermuten, dass Sie bei diesen Themen von Ihrem blauen Regierungspartner getrieben werden.
Das sind dann wohl manche, die auf die Kraft des Vergessens hoffen. Ich habe als Innenministerin bereits 2014 EU-Asylauffanglager außerhalb der EU, in Nordafrika, gefordert. Damals gab es noch viel Gegenwind. Heute, zehn Jahre danach, kommt das nun in abgewandelter Form mit den neuen EU-Asylregeln.
Zu Weihnachten sind wieder Gerüchte aufgetaucht, dass noch vor der EU-Wahl ein neuer Nationalrat gewählt wird. Was halten Sie von solchen Ansagen?
Ich sage es ganz offen: Für solche Diskussionen ist mir die Zeit zu schade. Und ich bin überzeugt, das sehen auch unsere Landsleute so: Die Bundesregierung ist gewählt, um zu arbeiten und dann zu entscheiden, wann gewählt wird. Punkt.
Es hat sich auch nichts daran geändert, dass Kanzler Karl Nehammer bei der Nationalratswahl der Spitzenkandidat der ÖVP sein soll?
Selbstverständlich. Karl Nehammer macht seine Sache gut.
Wie sehen Sie die Entscheidung, dass der Niederösterreicher Othmar Karas nicht mehr auf der EU-Kandidatenliste der ÖVP ist?
Othmar Karas hat große Leidenschaft, aber er hat sich in den letzten Jahren inhaltlich immer weiter von der Basis der Volkspartei entfernt. Und ich denke, das hat er auch gespürt. Das müssen beide Seiten letztlich auch akzeptieren und zukünftig nach vorne blicken.
Im Land arbeiten Sie mit der FPÖ zusammen, im Bund wollen die ÖVP-Regierungsmitglieder mit Herbert Kickl und seiner FPÖ nichts zu tun haben. Verstehen Sie das?
Unser Arbeitsübereinkommen in Niederösterreich trägt eine klare bürgerliche Handschrift mit 200 Maßnahmen für die breite Mitte der Gesellschaft. Zu Herbert Kickl hat der Bundeskanzler sehr klare Worte gefunden, und denen habe ich nichts hinzuzufügen.
Und wie beurteilen Sie, dass momentan auf allen Ebenen versucht wird, die Gesprächsbasis der ÖVP mit der SPÖ wieder zu verbessern?
Mit allen konstruktiven politischen Kräften im Gespräch zu sein, ist für mich das Fundament der politischen Zusammenarbeit in unserem Land. Das ist für mich eine Selbstverständlichkeit, und das lebe ich täglich seit meinen ersten Tagen in der Politik. Daher habe ich zu vielen Sozialdemokraten eine gute und vertrauensvolle Gesprächsbasis. Auch, wenn wir in vielen Standpunkten unterschiedliche Ansichten vertreten.
Mit Ihrem direkten Gegenüber, Niederösterreichs SPÖ-Landesparteiobmann Sven Hergovich, gibt es diese Gesprächsbasis derzeit aber nicht. Oder?
Sven Hergovich stellt leider weiterhin die Suche nach der schnellen Schlagzeile über die Suche nach den gemeinsamen Lösungen. Meine Hand zur Zusammenarbeit bleibt aber weiter ausgesteckt. Und ganz generell besteht die SPÖ Niederösterreich ja nicht nur aus dem Herrn Hergovich.
Kommentare