Neuer EU-Kommissar in NÖ: Die Sorge um fruchtbaren Boden

Neuer EU-Kommissar in NÖ: Die Sorge um fruchtbaren Boden
Christophe Hansen, zuständig für den Agrar- und Ernährungsbereich, besuchte das Weinviertel.

Lorenz Mayr redet nicht um den heißen Brei herum. Stattdessen schnappt sich der Landwirt einen Erdapfel, teilt ihn in zwei Hälften und zeigt, wo sich ein Drahtwurm in das Fruchtfleisch gefressen hat. „Die kann man nur noch wegwerfen“, macht er bewusst. 

Und er erinnert an das Jahr 2018, in dem man in Niederösterreich aufgrund des Wurmbefalls rund 120.000 Tonnen an Kartoffeln kübeln musste. Eine Menge, mit der man die Bevölkerung von Wien ein Jahr lang versorgen hätte können, wie der Vizepräsident der Landwirtschaftskammer betont.

Probleme wie diese wurden am Montag am Küchentisch der Familie Mayr in Steinabrunn (Bezirk Korneuburg) diskutiert. Der Gesprächspartner: Christophe Hansen, der mit 1. Dezember zum neuen EU-Agrarkommissar ernannt wurde. Der Luxemburger ist in den Mitgliedsstaaten unterwegs und besucht dort landwirtschaftliche Betriebe sowie Großveranstaltungen (wie die Wintertagung, die derzeit läuft). In Österreich fiel die Wahl auf das Weinviertel in NÖ, in dem die ertragreichsten Böden Österreichs liegen.

Mehr Praxisnähe

Wobei sich die Frage stellt, wie lange noch; denn steigende Temperaturen, Trockenheit und Schädlinge setzen dem Anbaugebiet enorm zu. Laut einer Studie der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit sogar so sehr, dass sich die Ertragsfähigkeit um bis zu 48 Prozent verringern könnte – und das bereits im Zeitraum von 2036 bis 2065.

„Wir stehen also mit dem Rücken zur Wand“, stellt Mayr fest. Was Hilfe aus der EU für die Landwirtschaft nur umso notwendiger mache. Versorgungssicherheit, Planbarkeit, Verlässlichkeit lauten die politischen Schlagworte. Bisher habe man bei vielen Entscheidungen aus Brüssel jedoch den Praxisbezug vermisst, ist man sich in der Landespolitik und in der Landwirtschaftskammer einig.

Ein prominentes Beispiel: Der Rübenderbrüssler, gegen den die Bauern seit 2023 keine Insektizide – im Detail Neonicotinoide – mehr einsetzen dürfen. Diese sollen Bienen schaden, so die Begründung. Stattdessen versucht man, die Käfer mit Pheromonen von den Pflanzen fernzuhalten. Über 600 Plastikkübeln hat Mayr 2024 auf seinen Feldern vergraben, um die Schädlinge in die Falle zu locken. Geleert werden diese alle paar Tage mit Akkusaugern.

„Es sollte also praxistaugliche Alternativen geben, bevor man etwas verbietet“, appellierte Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf bei Hansens Besuch. Denn eines sei klar: Eine sichere Versorgung mit heimischen Lebensmitteln sei nur gegeben, wenn auch eine Produktion ermöglicht werde.

Weniger Bürokratie

Forderungen, mit denen man bei Hansen auf offene Ohren stieß. Und auch in Sachen Bürokratieabbau, der von der österreichischen Politik schon lange gefordert wird, ist man sich mit dem neuen Kommissar einig. „Die Landwirte sollten ihrer eigentlichen Arbeit nachgehen können und sich nicht mit Papierkram herumschlagen müssen“, kündigte Hansen an. Bis zum Sommer will er dazu konkrete Vorschläge in Brüssel einbringen.

Nicht zuletzt deshalb, um die Landwirtschaft und das Leben im ländlichen Raum auch für junge Menschen attraktiv zu machen. Denn der Agrar- und Lebensmittelsektor ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige in der EU. Derzeit gibt es in den Mitgliedsstaaten rund zehn Millionen Landwirtinnen und Landwirte, rund 40 Millionen Arbeitsplätze sind mit der Landwirtschaft verbunden. „Ob große Betriebe oder kleine, ob Biolandwirtschaft oder konventioneller Anbau: Wir brauchen sie alle“, so Hansen.

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