Nach Bahnunglück: "Nicht ausflippen, es geht weiter"
Ein Augenblick der Unaufmerksamkeit. Ein ohrenbetäubender Knall, lautes Klirren, quietschende Räder eines Zugs. Dann unterbricht das Schreien kleiner Kinder die gespenstische Ruhe.
Am Abend des 22. Mai passierte an einem Übergang der Erlauftalbahn in Purgstall, NÖ, der katastrophale Crash eines Zugs mit einem Van. Fünf Mitglieder einer achtköpfigen Familie, darunter die Eltern und drei Kinder, starben. Drei Geschwister wurden schwerst verletzt (der KURIER berichtete).
Vier Monate danach besuchte der KURIER diese Kinder bei den Großeltern Christine und Johann Stöhr. Nicht Trauer und Hader über den Schicksalsschlag bestimmen das Treffen im gerade im Umbau befindlichen Familiendomizil bei Oberndorf im Bezirk Scheibbs.
Oma und Opa sind optimistisch und dankbar. Zumindest die Geschwister Nadine, 4, Julia, 5, und Martin, 12, können wieder relativ gesund bei ihnen leben.
"Wir sind eine große Familie. Nur so haben wir es bis jetzt geschafft", meint Christine. Die aufgeweckte Nadine zeigt dazwischen stolz auf ihre bunten Malereien. Die Kinder haben gerade eine weitere Hürde gut gemeistert. Im früheren Wohnort Purgstall mussten sie zuletzt von den Freunden Abschied nehmen. Der Kindergarten und die Schule dort wären zu weit weg gewesen.
Der zwölfjährige Martin, um den die Familie und Ärzte nach dem Unglück besonders bangen mussten, gefällt es in der dritten Klasse der Oberndorfer Neuen Mittelschule bereits gut. "Ich will Automechaniker werden", lautet sein Ziel.
Viel zu tun
Der Schulwechsel war nur eines der vielen Ereignisse, die die neue Familie seit Mai meistern mussten. "Es ist immer etwas Wichtiges zu tun", meint Christine, 54.
Gleich am Tag nach dem Unglück begann sie das Begräbnis zu organisieren. In der Nacht war Großvater Johann, 53, gleich nach dem Kriseninterventionsteam heimgekommen. Er hatte der Polizei bei der Identifizierung seiner toten Tochter Anita, 32, ihres Lebensgefährten Patrick, 26, und der Kinder Jasmin, Christian und Sebastian geholfen.
Vom nächsten Tag an standen den Großeltern ihre drei anderen erwachsenen Kinder zur Seite. Täglich besuchte man die drei verletzten Kinder in den Spitälern in Linz und St. Pölten.
"Nicht ausflippen, es geht weiter", meint der Schalungszimmerer Johann Stöhr. Damit die Kinder zurück ins Leben finden, nahm er eine berufliche Auszeit. Es folgten Behördengänge, ein Reha-Aufenthalt aller drei samt Oma in Salzburg und natürlich der Hausbau.
Neues Heim
Um die Kinder aufziehen zu können, brauchte es dringend neuen Wohnraum. Sohn Michael und Partnerin Carina zögerten nicht. Sie stellen ihren ans Elternhaus angebauten Rohbau zur Verfügung. Viele helfende Hände schufen im Eiltempo ein neues Heim. Mit ihren beiden kleinen Cousinen wachsen die drei nun wie Geschwister auf, erzählt die Oma. Vor dem Winter soll beim Haus noch der Außenputz kommen.
Ohne Wohlwollen und Hilfe des Jugendamts, des Gerichts, vieler Funktionäre der Gemeinde, der Vereine und von Privaten oder dem Pfarrer wäre es wohl nicht gegangen. "Ich kann nur für alles danken", so Opa Johann.
Die wackeren Großeltern werden nicht im Stich gelassen. Mit dem Spendenkonto "Martin, Julia, Nadine, wir wollen helfen!" (IBAN: AT 2140850 4069126 0000) bei der Volksbank steht die Gemeinde der Familie zur Seite.
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