Na bumm: Undercover im Böller-Paradies
Wer „Dumbum“ will, muss einsteigen. Einsteigen in den fensterlosen Kastenwagen einer vietnamesischen Böller-Verkäuferin unweit der niederösterreichisch-tschechischen Grenze. Erst, wenn die Schiebetür zu ist, geht das Licht an. Bewegen kann man sich kaum. Zu hoch und eng aneinander geschlichtet sind die Tausenden Böller in dem Lieferwagen.
Während das Licht der Taschenlampe die Totenköpfe und Königskobras auf den Verpackungen aufblitzen lässt, fackelt die Händlerin nicht lange: „Mehr ist billiger, wie viel Geld hast du?“, fragt sie und fuchtelt mit einem flaschengroßen Böller der in Österreich verbotenen Kategorie F4. „Sehr stark, stärker als ,Dumbum’“, erklärt sie und greift zu einer Packung mit Totenschädeln.
Davon hat sie viele, denn „Dumbum“ ist derzeit der Kassenschlager. „Ein Wunder, dass sich dieses Jahr noch niemand die Hand weggesprengt hat“, heißt es aus Polizeikreisen. Dort sind die Böller aufgrund ihrer Sprengkraft schon länger bekannt. Die Knallkörper werden aktuell tausendfach in Tschechien gekauft und vor allem von Jugendlichen illegal nach Österreich gebracht. Diese verkaufen sie mithilfe sozialer Medien weiter oder versuchen sich als Hobby-Sprenger.
Pyrotechnik und Macheten
Dass ihre Ware in Österreich verboten ist, will die vietnamesische Verkäuferin nicht wissen. „Ist erlaubt, auch für Jugendliche“, sagt sie leicht gereizt, weil noch kein Geschäft zustande gekommen ist. Frustriert führt sie die nicht kaufwillige Kundschaft schließlich über einen versteckten Hinterhof vom Kastenwagen zurück zu ihrem Marktstand. Dort wartet ihr Kollege mit einem Handy-Video. Dieses zeigt, wie mit den angebotenen Böllern ein Baum gesprengt wird.
„Ware ist erlaubt, auch für Jugendliche. Mehr ist billiger, wie viel Geld hast du?“
Bei dieser Sprengkraft überrascht es nicht, dass es in den vergangenen zehn Jahren in Österreich 1.600 Verletzungen im Zusammenhang mit Raketen und Böllern gab. Laut Kuratorium für Verkehrssicherheit waren mehr als die Hälfte der Opfer zwischen 15 und 24 Jahren. Das hält die Standler, die am „Asia Bazar“, direkt hinter dem tschechischen Einkaufszentrum „Excalibur City“ ihre Ware feilbieten, aber nicht davon ab, mit „besonders starken“ Böllern um Kunden zu buhlen. Und das, obwohl bei einem Großbrand im Jahr 2006 fast das gesamte Einkaufszentrum niederbrannte. Auslöser sollen damals explodierte Raketen gewesen sein.
Am „Asia Bazar“, einer riesigen Markthalle, in der es abwechselnd nach Plastik und feuchter Wäsche riecht, merkt man von den verheerenden Flammen nichts mehr. Heute biegen sich dort die Tische unter gefälschter Markenkleidung, Schlagringen, Macheten oder eben Pyrotechnik. Und an jedem Stand erwartet einen die Frage: „Was brauchst du?“
Wenn die Antwort darauf „Böller“ lautet, geht es raus aus der Halle. Diesmal zu einem Stand, der auf den ersten Blick nur Raketen und kleinere Knaller bietet. Bei der Frage nach „Dumbum“ ändert sich der Gesichtsausdruck des Verkäufers schlagartig. Ein schneller Kontrollblick in Richtung Parkplatz, dann deutet er auf einen mit Ketten versperrten Container.
Kaufen oder laufen
In dem Container sind die wirklich „explosiven“ Böller. Wieder muss man eintreten und die Türe von innen schließen. Pyrotechnik der Kategorie F3 und F4 stapelt sich bis zur Decke. Die gefährlichen Knaller dürfen in Österreich nur von volljährigen Sachkundigen besessen und gezündet werden.
Der Händler in dem Container sieht das locker. Sowohl die Frage, ob die Böller als Geschenk für einen 13-Jährigen geeignet sind, als auch ob diese in Österreich erlaubt sind, wird bejaht. Wiederholtes Nachfragen hingegen kommt weniger gut an. Schließlich die genervte Gegenfrage: „Ist das eine Kontrolle?“ Dem zu neugierigen Kunden wird mit eine Handbewegung zu verstehen gegeben, er solle gehen. Schnell.
„Waren die Böller der vergangenen Jahre schon gefährlich, ist ,Dumbum’ die nächste Stufe.“
Draußen dann ein paar laute, verärgerte vietnamesische Worte und plötzlich vier weitere Standbetreiber, die sich vor ihrer Ware aufbauen – und klarmachen, dass man entweder kauft oder verschwindet.
Die meisten kaufen. 5.000 sogenannte „zündbare Gegenstände“ wurden dieses Jahr schon von der Polizei im Grenzbereich sichergestellt. 1.720 weitere vom Zoll. Viele werden erwischt, aber nicht annähernd alle. Eine in Niederösterreich in die Luft gejagte Telefonzelle sowie eine in Wien aus der Wand gesprengte Klimaanlage zeigen, wie fahrlässig die Freizeit-Pyrotechniker sind.
Erlaubt
Kategorie F1 (z. B. Wunderkerzen) und F2 (z. B. Schweizer Kracher) sind ab zwölf bzw. 16 Jahren erlaubt. F2 ist aber im Ortsgebiet (auch in Wien) verboten. Ausnahmen durch den Bürgermeister sind möglich.
Verboten
F3/F4 (z.B. Knallkörper oder Feuertöpfe): Verboten, außer für ausgebildete Pyrotechniker.
3.600 Euro
Geldstrafe, die bei Verstößen droht.
Dass das nicht nur massiven Sachschaden zur Folge haben kann, betont die Polizei. Bei Tests wurde ein Trümmerflug von 15 Metern beobachtet. Eine Explosion in Körpernähe könnte tödlich sein. „Waren die Böller der vergangenen Jahre schon gefährlich, ist ,Dumbum’ die nächste Stufe. Nicht auszudenken, wenn ein derartiger Knallkörper in einer Kapuze landet“, warnt ein erfahrener Polizist vor der Silvesternacht.
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