Neuer Patientenanwalt kennt die Mängel im Gesundheitssystem
Als Nachfolger des populären Patientenanwalts Gerald Bachinger hat Michael Prunbauer diese wichtige Funktion im Gesundheitsapparat Niederösterreichs übernommen.
Den erfahrenen Bachinger sofort zu ersetzen, sei nicht möglich, sagt der 43-jährige Jurist. Mit pointierter Kritik an Fehlentwicklungen hält sich aber auch der neue Patientenanwalt nicht zurück.
Bislang ist der "Gesundheitsanwalt" als Mitarbeiter und Vizechef der Abteilung öffentlich wenig in Erscheinung getreten. Doch die Landesregierung hat einen absoluten Insider ins Chefamt geholt.
2004 dockte der Jus-Student (Schwerpunkt Medizinrecht) als Praktikant bei der Patientenanwaltschaft an. Neben dem Studium arbeitete er dort so lange, bis er in den Landesdienst eintrat und 2011 in der Patientenanwaltschaft angestellt wurde.
Patientenanwalt
Als einziges Bundesland bestellt NÖ seinen Patientenanwalt nicht für eine gewisse Periode, sondern zeitlich unbegrenzt. Das macht das Amt unabhängiger.
Fallzahlen
- Rund 2.000 Geschäftsfälle werden jährlich von der Patientenanwaltschaft bearbeitet.
- 564 waren im Jahr 2023 Beschwerden nach Behandlungen in Spitälern oder bei Ärzten.
- In 173 Fällen wurden Entschädigungen erwirkt.
- 77 davon mit einer Gesamtsumme von 799.100 Euro kamen aus dem NÖ Patienten-Entschädigungsfonds.
Als Bereichsleiter für die schwierigen Entschädigungsfälle von Patienten und als Rettungssanitäter mit 25-jähriger Erfahrung kennt Prunbauer das System bestens. "In der Klientenbetreuung bekommt man durch die Lebensgeschichten der Menschen viel Erfahrung. Dass heute kaum mehr vom besten Gesundheitssystem der Welt gesprochen wird, das hat seinen Grund", sagt er.
In vielen Bereichen funktioniere das Gesundheitssystem nach wie vor gut, etwa nach Unfällen, Herzinfarkten oder Schlaganfällen, aber auch in der Krebstherapie. "Wir stehen auch im Austausch mit anderen Patientenorganisationen in Europa und da lernt man, unser nach wie vor hohes Niveau zu schätzen", so Prunbauer.
Auf der anderen Seite habe man aber inakzeptable Wartezeiten oder gar Versorgungslücken. Speziell, wenn es etwa um die psychotherapeutische Betreuung von Kindern und Jugendlichen, um chronische Schmerzpatienten oder Patienten mit Long Covid gehe.
Die erste Frage muss lauten, was braucht der Mensch genau jetzt, um sein gesundheitliches Problem zu lösen.
"Da merken wir, dass das System an seine Grenzen kommt oder überfordert ist", analysiert er. Vor allem im Fall unbehandelter junger Menschen, sei der volkswirtschaftliche Schaden enorm, so Prunbauer.
Zahl der Beschwerden ist stabil
Bei aller Kritik an den medizinischen Nöten bleibt die Zahl der offiziellen Beschwerden und Schadensersatzforderungen beim Patientenanwalt seit Jahren stabil. Knapp 2.000 Geschäftsfälle bearbeitet das 14-köpfige Team jährlich. 564 davon waren letztes Jahr Beschwerde-Fälle gegen Spitäler, niedergelassene Ärzte und Pflegeeinrichtungen.
In 173 Fällen wurde eine finanzielle Entschädigung erreicht, teils wegen ärztlicher Behandlungsfehler, teils aus dem Patientenentschädigungsfonds.
Prunbauer zum Fonds: "Da war die Behandlung korrekt, aber es ist trotzdem zum gesundheitlichen Schaden gekommen. Solche Fälle sind im Wege des allgemeinen Schadenersatzrechts nicht entschädigungsfähig."
Aus dem Fonds dürfen nur Fälle, die sich in öffentlichen Kliniken ereignet haben, abgegolten werden. Alle Patientenanwälte Österreichs fordern deshalb schon länger, dass auch niedergelassene Ärzte in den Fonds integriert werden.
"Zunehmend fehlende Gesundheitskompetenz"
Die Impfskepsis und aufgeheizte Situation in der Pandemiezeit verwandelte die Patientenanwaltschaft zum Beratungshotspot. Die weiter anhaltende Skepsis gegen Impfungen, aber auch eine "zunehmend fehlende Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung" sieht Prunbauer aktuell als Gründe am alarmierenden Rückgang des Impfschutzes gegen gefährliche Krankheiten, wie Keuchhusten oder Masern.
Bei einer Gesellschaft, die insgesamt mehr Leistungen im Gesundheitsbereich benötigt und aufgrund der stark zunehmenden älteren Generation in Zukunft noch mehr brauchen wird, ist Prunbauer skeptisch "die Herausforderungen mit den jetzigen Strukturen stemmen zu können".
Prunbauers generelle Kritik: "Unserem Gesundheitssystem fehlt aus einer Gesamtsicht heraus die Patientenorientierung. Statt zu diskutieren, wer welche Leistung erbringen darf oder muss und wer sie zahlt, muss zuvor die Frage gestellt werden, was braucht der Mensch jetzt in diesem Augenblick, damit er sein gesundheitliches Problem bewältigen kann."
Gesicht der Patientenrechte im wohlverdienten Ruhestand
"In der 20-jährigen Zusammenarbeit mit ihm habe ich nie ein lautes Wort oder eine Meldung in schlechter Laune von ihm gehört." So beschreibt der neue nö. Patientenanwalt Michael Prunbauer die Zusammenarbeit mit seinem Vorgänger Gerald Bachinger.
Dieser hat nach 25-jähriger Tätigkeit mit Anfang September den Ruhestand angetreten. Das unbedingte Vertrauen seines früheren Chefs in sein Team sei vorbildhaft gewesen, so Prunbauer. Rund 35.000 Fälle haben Bachinger und sein Team im vergangenen Vierteljahrhundert bearbeitet.
Bachinger galt als durchaus streitbarer Anwalt der Patientenrechte und war 23 Jahre lang auch Sprecher der bundesweiten ARGE der Patientenanwälte. Zwar immer auch kompromissbereit, focht der Jurist so manche Sträuße mit Institutionen im Gesundheitsbereich und mit der Politik aus. Systembedingt fehlende Ärzte im niedergelassenen Bereich und lange Wartezeiten kritisierte er zuletzt scharf.
In NÖ wird Bachinger aufgrund seiner Expertise die Patientenanwaltschaft bei der Erarbeitung des Gesundheitspakts zur Sicherung der medizinischen und pflegerischen Versorgung weiter vertreten.
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