Messerangriff an Schule in NÖ: Eltern zeigen Behördenversagen auf

Kerzen stehen vor einer Schule nach einer Gewalttat.
Daten- und Täterschutz hat in Wiener Neustadt in zwei Fällen dazu geführt, dass Mitschüler und Eltern nichts von schweren Straftaten erfahren haben.

Die Eltern von sieben beim Amoklauf in Graz getöteten Schülern gehen mit Klagen gegen die Republik vor. Sie werfen dem Staat Behördenversagen im Zusammenhang mit dem Waffenbesitz des Amokläufers vor.

Ein ähnliche Ohnmacht der Schul-, Verwaltungs- und Strafbehörden orten verängstigte Eltern aus zwei Wiener Neustädter Schulen im Fall einer gewalttätigen Teenie-Bande. "Wir sind um das Wohl unserer Kinder in der Schule mehr als besorgt“, haben sich betroffene Eltern an den KURIER gewandt. "Um wachzurütteln und um die Missstände aufzuzeigen“, wie es heißt.

Im Zentrum der Ereignisse stehen zwei 14-Jährige und ein 15-Jähriger, die zuletzt wegen eines tätlichen Messerangriffs auf den Direktor des Polytechnikums Wiener Neustadt, eines bewaffneten Raubüberfalls und einer angeblichen Amokdrohung gegen die Mittelschule in Lichtenwörth für Schlagzeilen gesorgt haben. Eltern von Mitschülern der jungen Täter sorgen sich um die Sicherheit ihrer Kinder. Zumal es keinerlei offizielle Informationen der Schulen in den Fällen gab.

Messer im Hosenbund

Es waren schwer bewaffnete Cobra-Beamte, die am 9. Oktober vermutlich schlimmeres am Polytechnikum in Wiener Neustadt verhinderten. Ein verhaltensauffälliger 14-Jähriger war an diesem Tag bei Schuldirektor Gerhard Obleser wegen gewalttätiger Übergriffe zu einer Aussprache vorgeladen. Die Lage eskalierte. Der Schüler hatte wüste Drohungen ausgesprochen. Er lief nach Hause und kam mit einem Küchenmesser im Hosenbund zurück.

Er drohte, den Direktor zu töten und drängte ihn in die Kanzlei. Nur durch ein Wunder sei es nicht zur Tatumsetzung gekommen, war bei der Gerichtsverhandlung zu erfahren. Der 14-Jährige wurde zu acht Monaten Haft verurteilt, zwei davon unbedingt.

Weil er vier Wochen davon in U-Haft abgesessen hatte, wurde er sofort nach dem Prozess bereits in die Freiheit entlassen. Wie Eltern von Mitschülern berichten, warten sie bis heute auf eine offizielle Erklärung. Vor dem Messerangriff soll die Schule "zig Mal“ gewalttätige Übergriffe des 14-Jährigen der Schulbehörde gemeldet haben. "Wie gefährlich der Bursche tatsächlich ist, haben wir erst als Zuhörer bei der Gerichtsverhandlung erfahren“, bekritteln Eltern. Mittlerweile wurde der 14-Jährige an der Polytechnischen Schule (PTS) suspendiert.

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Angriff mit Messer: Polytechnische Schule Wiener Neustadt. 

Tankstelle überfallen

Zwei seiner Freunde, 14 und 15 Jahre alt, haben wenige Tage nach dem Übergriff am 16. Oktober einen bewaffneten Raubüberfall auf eine Tankstelle in Wiener Neustadt begangen. Der 14-Jährige stellte sich aus Angst wenige Tage später der Polizei. Nach 14 Tagen in U-Haft wurden beide Tatverdächtigen unter "strengen Auflagen“ aus der Haft entlassen.

Krankmeldung für Zeit in U-Haft

An der Mittelschule des 14-Jährigen erfuhren aber weder Mitschüler noch deren Eltern zunächst etwas von dem Raubüberfall. Offiziell sei der tatverdächtige Teenager "krank gemeldet“ gewesen, heißt es. "Sie sind nach den Herbstferien wieder seelenruhig in ihren Klassen gesessen. Das ist kein Schulalltag, den man sich für seine Kinder wünscht“, prangern Eltern an. Erst nach zahlreichen Presseberichten haben Mitschüler und Eltern „eins und eins zusammengezählt“.

Wie es auf Anfrage des KURIER zu den Vorwürfen bei der NÖ Bildungsdirektion heißt, obliegt die Bekanntgabe von Informationen zu Straftaten und damit verbundenen Konsequenzen "ausschließlich den ermittelnden Strafbehörden und nicht der Bildungsbehörde“.

Welche Informationen bei Drohungen gegen Schulen oder straffällig gewordenen Jugendlichen wann weitergegeben werden, hänge maßgeblich vom Stand der Ermittlungen ab und passiere in enger Abstimmung mit den Staatsanwaltschaften und der Polizei – um den Ermittlungserfolg nicht zu gefährden.

Tatwaffe beim Tankstellenraub in Wiener Neustadt war diese Schreckschusspistole.

Tatwaffe beim Tankstellenraub in Wiener Neustadt war diese Schreckschusspistole. 

Schulpsychologie

In vielen Fällen scheitert die Weitergabe an den Datenschutzrichtlinien. "Es ist auf das Kindeswohl und auf die gültigen Bestimmungen zu achten.“ Für Schülerinnen und Schüler, die von Bedrohungen betroffen sind, sei die Schulpsychologie rund um die Uhr erreichbar und auch immer in der betroffenen Schule anwesend. Darüber hinaus gibt es im Rahmen der Prävention Workshops, die in Zusammenarbeit mit der Polizei in Schulen stattfinden.

In jeder Schule gebe es klar strukturierte Krisen- und Notfallpläne, die laufend evaluiert und adaptiert werden, so die Bildungsdirektion. Das Krisen- und Notfallmanagement der Bildungsdirektion stehe im laufenden Kontakt mit der Landespolizeidirektion. "So wird jede einzelne Maßnahme unmittelbar abgestimmt, um die Sicherheit von Schule und Schülern bestmöglich gewährleisten zu können.“

Infos vom Fahndungserfolg abhängig

Wie der Sprecher der Bildungsdirektion Fritz Lengauer erklärt, ersuche man an dieser Stelle auch um Verständnis, "dass Informationen bei derartigen Vorfällen immer erst abhängig vom jeweiligen Fahndungserfolg und von den jeweils notwendigen Maßnahmen zur Sicherung von Schule und Schülern veröffentlicht werden können“.

Das höchste Augenmerk liege dabei immer auf der Gewährleistung der Sicherheit für Schule und Schüler, so Lengauer.

Für die aufgebrachten Eltern sind diese Erklärungen wenig zufriedenstellend: "Es versteht wohl kein Elternteil, warum nach Graz keine verschärften Sicherheitsvorkehrungen an Schulen herrschen.“ Im Fall der beiden Wiener Neustädter Schulen berichten Mitschüler, dass Messer, Schlagringe und andere Waffen kein Einzelfall seien.

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