Amoklauf in Graz: Eltern der Opfer wollen den Staat klagen
Das BORG nach dem Amoklauf (Archivbild)
Zusammenfassung
- Am 10. Juni erschoss ein ehemaliger Schüler in Graz neun Schüler und eine Lehrerin und beging anschließend Suizid; die Waffen besaß er legal.
- Eine Amtshaftungsklage gegen die Republik Österreich wurde eingereicht, da das negative psychologische Gutachten des Heeres nicht an die zivilen Behörden weitergeleitet wurde und die Waffenbesitzkarte trotz ungeeigneter Tests ausgestellt wurde.
- Die Klage soll klären, wer für die Versäumnisse bei der Waffenausgabe und Informationsweitergabe verantwortlich ist; Schadenersatz steht nicht im Vordergrund.
Neun Schülerinnen und Schüler sowie eine Lehrerin wurden am 10. Juni in Graz erschossen: Der schlimmste Amoklauf der Zweiten Republik erschütterte ganz Österreich.
Der Täter, ein ehemaliger Schüler, beging Suizid: Die Waffen, mit denen er in die Schule stürmte, besaß er legal.
Nicht tauglich fürs Heer
Das ist der Anknüpfungspunkt für die Grazer Rechtsanwältin Karin Prutsch-Lang, eine Amtshaftungsklage gegen die Republik Österreich einzubringen: Der 21-Jährige fiel nämlich beim psychologischen Test des Bundesheeres durch - dort wurden "manifeste psychische Auffälligkeiten" attestiert. So manifest, dass er als untauglich für den Dienst mit der Waffe eingestuft wurde.
Doch dieses Gutachten wurde - aus Datenschutzgründen - nicht an die zivilen Behörden weitergegeben. Und so kam der 21-Jährige zu einer Waffenbesitzkarte, ausgestellt von der für seinen Wohnsitz zuständigen Bezirkshauptmannschaft in der Steiermark. Ganz legal, nachdem der Mann einen psychologischen Multiple-Choice-Test gemacht hatte.
Prutsch-Lang vertritt die Eltern von sieben getöteten Jugendlichen und brachte am Dienstag die Amtshaftungsklage auf den Weg: Sie hat ein entsprechendes Schreiben an die Finanzprokuratur, quasi der Anwalt der Republik, fertig, das in den nächsten Tagen abgeschickt werden soll.
Worauf begründet sich die Klage?
Die Klage stützt sich dabei auf zwei Punkte:
- Das Heeresgutachten: Das Bundesheer habe es unterlassen, das negative psychologische Gutachten der Stellung weiterzuleiten. Der Datenschutz stoße nämlich "an seine Grenze, wo die öffentliche Sicherheit auf dem Spiel steht und eine Gefahr für Leben und Sicherheit dritter Personen besteht", begründet Prutsch-Lang. Dieses Unterlassen stelle eine "schuldhafte Amtspflichtverletzung" dar.
- Der Test der Bezirkshauptmannschaft: Das Ausstellen einer Waffenbesitzkarte durch die Bezirksverwaltungsbehörde sei ebenso "rechtswidrig und schuldhaft". Denn bei der Entscheidung habe man sich "ausschließlich auf einen offensichtlich dafür ungeeigneten Multiple-Choice-Test verlassen". Man habe verabsäumt, weitere Erhebungen zu machen oder sich auch nur mit dem Test "kritisch auseinanderzusetzen".
Wäre das negative Gutachten des Heeres bekannt gewesen und somit die "vollständige Aktenlage, wäre die Waffenbesitzkarte nicht erteilt worden", argumentiert Prutsch-Lang. "Die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte beruhe somit auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage", heißt es in dem Schreiben an die Finanzprokuratur, das dem KURIER vorliegt. "Dieses Vorgehen war kausal dafür, dass ( . . . ) die Tat zeitnahe mit einer legal erworbenen Waffe" begangen werden konnte, heißt es.
Was die Klage bedeutet
Mit der Amtshaftungsklage sollen Schadenersatzansprüche gegen die Republik geltend gemacht werden, wobei Geld in dem Fall nicht im Vordergrund steht. Vielmehr soll geklärt werden, wer die Verantwortung für mögliche Versäumnisse trägt.
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