Schulbeginn nach Amoklauf in Graz: "Richten den Blick nach vorn"

Auch Monate nach dem Amoklauf werden Kerzen vor dem BORG in Graz angezündet
Zusammenfassung
- Nach dem Amoklauf am BORG Dreierschützengasse in Graz begann das neue Schuljahr mit einer Gedenkstunde und einem behutsamen Wiedereinstieg am Ersatzstandort.
- Die Schule setzt auf einen sanften Start ohne Leistungsdruck, begleitet von baulichen Veränderungen und psychologischer Unterstützung für Schüler und Lehrer.
- Sicherheitsmaßnahmen wurden verschärft und das Schulgebäude wird umgebaut, wobei besonders belastete Räume neue Funktionen erhalten.
Den eigentlichen ersten Schultag am Montag begingen die Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Eltern mit einer Gedenkstunde vor dem BORG Dreierschützengasse in Graz- abseits von TV-Kameras, das hatten sie sich gewünscht.
Vor der Eingangstür zum Schulgebäude, in dem sich am 10. Juni der schwerste Amoklauf der Zweiten Republik ereignete, ließen sie zehn Luftballons steigen, einen für jedes Opfer, das an diesem Tag in ihrer Schule erschossen wurde.
Eine Tafel erinnert an die Opfer
Am Zaun vor dem Gelände erinnert eine Tafel namentlich an die neun Schülerinnen und Schüler sowie eine Lehrerin: Anna Bella, Dorit, Hanna, Lea, Leo, Leonie, Luzia, Kaid, Pauline, Pawel. Sie wurden einem 21-Jährigen aus Graz-Umgebung getötet, er beging Suizid.
Am Dienstag beginnt für die 21 Klassen der Weg zurück in den eigentlichen Schulalltag: Am Ersatzstandort – einem Gebäude neben der Helmut-List-Halle – werden die Jugendlichen vorerst ein Jahr bleiben.
Eine Rückkehr, die nicht für alle gleich leicht oder gleich schwer ist, beschreibt Daniel Hoffmann von der Schülervertretung: "Tränen sind natürlich geflossen, aber weit weniger, als wir befürchtet haben. Den meisten ist es gut gelungen, wieder in die Schule zu kommen."
"Blick nach vorne"
Die Monate seien herausfordernd gewesen, erinnert sich Bildungsdirektorin Elisabeth Meixner. "Vor drei Monaten wurden wir in unseren Grundfesten erschüttert. Nach der ersten Phase von Schock und Panik folgt Trauer, Schmerz. Aber wir dürfen nicht handlungsunfähig werden. Wir richten uns neu aus, mit dem Blick nach vorne."
Schüler und Lehrer wollen zurück
Während der kommenden Monate werde das Schulgebäude umgebaut: Jene beiden Klassenzimmer, in der die Opfer getötet wurden, werden vollkommen neu gestaltet. Zusätzlich erhalten alle Räume "neue Möbel und eine Oberflächensanierung". Am Standort zu bleiben, war ein Wünsch von Lehrerschaft wie Schülerinnen und Schülern. "Es wird so saniert, dass die besonders belasteten Räume neue Funktion bekommen, also keine Klassenräume mehr sind", beschreibt Meixner.
Lernen aus Winnenden
Im BORG selbst werden weiterhin Chemie- und Physiksaal sowie der Theaterraum benützt. Ebenso drei Klassenräume im 3. Stock für einige Wochen, "nicht betroffene Räume", versichert BORG-Direktorin Liane Strohmaier: "Das Stiegenhaus wurde durch eine Wand abgeriegelt, es kann niemand in anderen Teil des Hauses gehen."
Das Team, das die Umgestaltung leitet, schaute dabei auch nach Deutschland, in Winnenden gab es 2009 einen Amoklauf an einer Schule mit 12 Todesopfern, drei Menschen erschoss der Täter auf seiner Flucht durch die Stadt. In der Albertville-Realschule wurde etwa Alarmknöpfe in den Klassenräumen installiert.
Der Zusammenhalt in dieser schwierigen Zeit sei sehr wichtig gewesen, betont Elternvertreter Mirza Candic, nur dadurch lasse sich der Heilungsprozess bewältigen. "Die Kinder brauchen Ruhe und Normalität."
"Sanfter Einstieg in das Schuljahr"
Vor den Herbstferien werde es keine Leistungsbeurteilungen geben, beschreibt Direktorin Strohmaier, das soll einen "sanften Einstieg in das Schuljahr" ermöglichen. Zudem werden weniger Schularbeiten als in den vergangenen Jahren geschrieben, zudem seien sie kürzer. "Wir werden behutsam mit unseren Kindern umgehen, aber wir werden auch darauf schauen, dass sie lernen." Denn alle wollen maturieren. "Verzeihen Sie die saloppe Formulierung, aber das Kerngeschäft der Schule ist Bildung."
Es habe einige Abmeldungen von Schülern gegeben, die mit der fünften klasse heuer hätten starten sollen, fünf seien es gewesen, berichtet Strohmaier. Aber das sei vor Beginn eines jeden Schuljahres "normal". "Von den anderen Klassen - den sechsten, siebenten und achten - habe sich niemand abgemeldet, auch kein Kollege aus der Lehrerschaft habe das BORG verlassen wollen.
Schultüren versperrt
Auch an anderen Schulstandorten wurde auf den Amoklauf in Graz reagiert: So ordnete der FPÖ-Bürgermeister von Leibnitz, Daniel Kos, an, dass alle Schulen der südsteirischen Stadt nach Unterrichtsbeginn versperrt bleiben.
Wer nach Unterrichtsbeginn in die Schule will, muss eine an den Eingangstüren vermerkte Telefonnummer anrufen und sich melden.
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