Landesrat Danninger: „Der Krieg trifft gerade unsere Wirtschaft hart“
KURIER: Herr Landesrat, es ist das passiert, was viele nicht wahrhaben wollten. Russland ist in der Ukraine einmarschiert. Wie sehr bestürzt Sie das, wie sehr trifft das Niederösterreich?
Danninger: Die russische Invasion führt uns in dramatischen Bildern vor Augen, dass der Friede in Europa keine Selbstverständlichkeit ist. Der Krieg bringt für die ukrainische Bevölkerung großes menschliches Leid, ihr Schicksal liegt uns sehr am Herzen. Auch für die Wirtschaft in Europa werden die Auswirkungen beträchtlich sein. Gerade Niederösterreichs Firmen sind mit Russland wirtschaftlich stärker verwoben als viele andere Länder Europas. Der mühsam erarbeitete wirtschaftliche Aufschwung nach der Pandemie ist in ernster Gefahr.
Das Geschehen in der Ukraine trifft die Wirtschaft genau in einer Phase, wo man eigentlich nach zwei Jahren Pandemie auf Aufschwung eingestellt ist.
Wenn man die vergangenen zwei Jahre anschaut, dann waren das extrem herausfordernde Zeiten, für die Unternehmen und ihre Mitarbeiter. Es war eine Situation, die wir so noch nicht gekannt haben. Man kann jetzt aber schon feststellen, dass wir besser als andere Regionen durch diese Krise gekommen sind. Österreichweit wurde heuer ein Wirtschaftswachstum von 4,2 Prozent prognostiziert, für Niederösterreich sind es 4,8 Prozent. Das war aber vor dem Krieg in der Ukraine.
Sie haben die zwei Jahre Pandemie erwähnt. Die fällt genau mit dem Zeitabschnitt zwei Jahre Landesrat Jochen Danninger zusammen. Sie wurden 2020 in jener Woche angelobt, in es zum ersten großen Lockdown gekommen ist. Wie herausfordernd waren diese zwei Jahre?
Der Austausch mit Unternehmen, denen von einem auf dem anderen Tag die Geschäftsgrundlage entzogen wurde, war schon sehr bewegend. Gemeinsam mit meinem Team habe ich versucht, möglichst rasch Hilfe zu leisten. Umso stolzer bin ich darauf, wie wir gemeinsam die Krise gemeistert haben. Wir haben es gemeinsam geschafft, dass wir nicht nur Pflaster auf die Wunden kleben, sondern dass wir unsere Unternehmen in dieser schwierigen Zeit noch zukunftsfitter aufstellen, in dem sie zum Beispiel in digitale Innovationen investiert haben.
Es hat in diesen zwei Jahren viele Phasen gegeben. Niemand wollte einen zweiten Lockdown, dann hat es aber auch noch weitere gegeben. Hatten Sie nie das Gefühl, dass die Wirtschaft das nicht mehr bewältigen kann, wenn das so weitergeht?
Die große Stärke unserer Wirtschaft ist ihre Vielfalt der zahlreichen kleinen und mittleren Betrieben in den unterschiedlichsten Branchen sowie der hohe Industrieanteil. Während der gesamten Krise ist kein Industriebetrieb in Niederösterreich stillgestanden und die Industrie ist es auch jetzt, die den wirtschaftlichen Aufschwung vorantreibt. Das zeigt aber auch, wie schwierig die aktuelle Situation jetzt ist: 85 Prozent unserer Gas- und Öl-Lieferungen kommen aus Russland. Unsere Betriebe erwirtschaften jeden zweiten Euro mit dem Export von Waren in die ganze Welt und davon hängt jeder vierte Arbeitsplatz bei uns ab. Für unseren Wohlstand, wie wir ihn gewohnt sind, ist der freie Warenverkehr vor allem mit den Ländern Mittel- und Osteuropas unerlässlich, dazu braucht es aber Frieden in Europa.
Hat es speziell bei der Digitalisierung einen größern Schub gegeben, als man sich erwartet hat?
Auf alle Fälle. Auch wegen der Lockdowns, da ist einfach ein Ruck durch die Wirtschaft gegangen. Seitens des Landes haben wir Betriebe, die ihre Prozesse und Geschäftsmodelle digitaler aufstellen wollte, auch bestmöglich unterstützt. Tausende Unternehmen sind in den letzten Monaten auf diesen Zug aufgesprungen. Deswegen habe ich die große Vision, dass wir Niederösterreich als eine smart green region etablieren werden.
Wie investitionsfreudig ist die Wirtschaft zwei Jahre nach Beginn der Pandemie?
Im Jahr vor Corona hatten wir 5 Milliarden Euro an Investitionen in einem Jahr. Im Vorjahr waren es 8 Milliarden Euro.
Wie sehr wird diese Entwicklung dadurch gebremst, dass etwa im Marchfeld nach einer Entscheidung von Verkehrsministerin Leonore Gewessler die Schnellstraße S8 vorerst nicht gebaut wird? Ich halte es für unverantwortlich, wenn man hier eine ganze Region aufs Abstellgleis stellt. Ich kann es nicht nachvollziehen, was die Umweltministerin hier macht. Es steht in einem Gesetz drinnen, dass es die S8 geben muss. Und jetzt gibt es eine Entscheidung von einer einzelnen Person, die diese parlamentarische Entscheidung nicht umsetzen will. Auch Politik unter dem Deckmantel des Umweltschutzes muss auf Basis von Gesetzen und parlamentarischen Mehrheiten gemacht werden. Es ist nicht nur so, dass seitens der öffentlichen Hand schon viele Millionen Euro für Vorarbeiten in die Hand genommen wurden, etwa für Zufahrtsstraßen, sondern es leidet auch die wirtschaftliche Entwicklung einer ganzen Region darunter, weil aufgrund der aktuellen Verkehrsbelastung keine neuen Betriebe im Marchfeld angesiedelt werden können.
Ein anderes Thema: Tourismus. Der hat sich hier trotz Corona ja besser entwickelt als in anderen Regionen.
Wir haben gemerkt, dass Niederösterreich in so einer Zeit wahnsinnig viel zu bieten hat. Viele Menschen, die uns zuvor noch nicht besucht haben, sind zum Skitourengehen, Wandern, Radfahren, Theater-Besuch oder Weintrinken während der Corona-Krise gekommen. Wir haben jetzt eine Evaluierung unseres gesamten Tourismussystems vorgenommen und festgestellt, dass wir uns noch mehr auf unsere Alleinstellungsmerkmale konzentrieren müssen. Die liegen in den Themen Rad, Wein, Kultur und Natur. Da können wir punkten. Es liegt aber eine Mammutaufgabe vor uns.
Was ist das Ziel?
Wir müssen schauen, dass wir wieder auf das Vorkrisenniveau kommen und da fehlen uns noch rund 2,6 Millionen Nächtigungen. Dieses Ziel wollen wir im nächsten Jahr wieder erreichen.
Besonders gefordert waren Sie wegen des Skigebiets Lackenhof. Die SchröcksnadelGruppe ist ausgestiegen, man wusste nicht, wie es weitergeht. Jetzt wird an einem Neustart gearbeitet.
Ich habe von Anfang an gesagt: Wir lassen Lackenhof nicht im Stich, daher hat das Land das Skigebiet gemeinsam mit dem Hochkar auch komplett übernommen. Mittlerweile haben alle kapiert, dass wir uns dort nicht alleine auf die wenigen Wochen im Winter verlassen dürfen, wo Schnee liegt. Das Gebot der Stunde ist, dass wir ganzjährige Angebote schaffen. Darum freut es mich sehr, dass wir dazu rund 500 Vorschläge aus der Bevölkerung bekommen haben, wie eine Neuausrichtung von Lackenhof ausschauen könnte. Die müssen jetzt auf ihre Praxistauglichkeit geprüft werden. Es geht nur, wenn die Initiativen aus der Region kommen. Natürlich brauchen wir auch die Grundeigentümer an Bord.
Wegen Lackenhof mussten Sie einen Sonderlandtag über sich ergehen lassen, den ihre Regierungspartner SPÖ und FPÖ einberufen hatten. Wie ist es Ihnen ergangen, als sie zwei Stunden lang attackiert wurden?
So etwas ist nie angenehm, weil polemisiert wird. Aber als Politiker ist man es gewohnt, dass man auch mit solchen Situationen umgehen kann. Mir geht es um die Sache und ich habe gemerkt, dass es die Bereitschaft gibt, miteinander an einem Strang zu ziehen. Parteipolitik bringt Lackenhof nicht weiter. Wir müssen Lackenhof zukunftsfit aufstellen. Ich bin zuversichtlich, dass wir das gemeinsam schaffen werden.
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