Mutter verschwunden: Erste Seeadler-Brut in Wachau gescheitert
Für Ornithologin Karin Donnerbaum aus Aggsbach grenzte es vor rund einem Jahr an eine Sensation, als sie erstmals auf ein Seeadler-Paar in der Wachau aufmerksam wurde. Fast täglich begleitete sie die majestätischen Greifvögel zwischen Melk und Spitz. Noch größer sei laut der Forschungsgemeinschaft Lanius die Freude gewesen, als die Tiere dann im vergangenen Dezember begannen einen Kunsthorst auszubauen. "Die Chance auf eine erste Seeadlerbrut, nach vermutlich 150 Jahren, waren dadurch enorm gestiegen", so die Forscher in einer Aussendung.
Küken verstarben, Seeadler-Männchen ist auch weg
Am 26. März war es dann tatsächlich soweit und zwei Küken schlüpften in Schönbühel-Aggsbach. Zwei Tage darauf folgte für die Forscher aber ein großer Schock: Überraschenderweise war das Seeadlerweibchen verschwunden, der Vater musste nun allein für die Küken sorgen. "Wenn das passiert, fallen unbewachte kleine und hilflose Jungvögel häufig anderen Tieren zum Opfer", erklärt Lanius.
Um dieses Risiko zu mindern, legten die Forscher Karpfenreste als Nahrungsunterstützung in der Nähe des Horsts aus. "Doch leider haben auch diese Hilfsangebote nicht verhindern können, dass der Horst wenige Tage später leer war", gaben die Forscher am Freitag bekannt. "Es hat mich sehr getroffen, als zuerst das Weibchen verschwand und dann auch noch die kleinen Adler nicht überlebt haben", so Donnerbaum. Auch das Männchen war seither nicht mehr im engeren Brutgebiet anzutreffen - ob der Seeadler nächsten Winter mit einer neuen Partnerin für einen Brutversuch zurückkehrt, bleibe laut Lanius offen.
Belohnung für Hinweise
Die Gründe für das Verschwinden der Seeadler-Dame sind noch unbekannt. "Illegaler Abschuss oder Vergiftung sind leider nicht auszuschließen", gibt die Forschungsgemeinschaft zu bedenken. Für sachdienliche Hinweise bietet die im Mostviertel tätige Naturschutzorganisation eine Prämie von bis zu 1.000 Euro. Nähere Infos: www.lanius.at
Laut Lanius, die sich auf eine aktuelle Studie des WWF Österreichs berufen, gäbe es bundesweit etwa 40 bis 45 Seeadler-Brutpaare - Zweidrittel davon in NÖ. Rund ein Drittel der tot aufgefundenen Adler seien demnach "Opfer illegaler Verfolgung". Für andere sind häufig Kollisionen mit Windrädern, Freileitungen oder Fahrzeugen tödlich. Immer wieder komme es auch zu Vergiftungen, wenn Reste von Wildtieren, die mit bleihaltiger Munition erlegt wurden, gefressen werden. .
Behörden sollen Brut gefährdet haben
Seeadler-Nachwuchs werde oft auch durch Störungen am Brutplatz gefährdet. So etwa in der Wachau, wie die Forscher berichten: "Anfang Februar, genau zum sensiblen Start der Brutzeit, begann der Bau einer Forststraße des Schlossgutes Schönbühel - wenige hundert Meter vom Horst, im nahen Hangwald." Dass trotz der erheblichen akustischen Störungsbelastung die brütenden Adler am Horst festhielten, bezeichnet Lanius erstaunlich.
"Der Naturschutzsachverständige der Bezirkshauptmannschaft Melk hatte den Beginn der Brutzeit der Seeadler fälscherweise mit Mitte März angenommen, und den Straßenbau genehmigt", vermuten die Forscher Fehler seitens der Behörden. Außerdem sei der Bewilligungsbescheid nicht über eine elektronische Plattform einsehbar gewesen.
Gutachten sah keine Beeinträchtigung
Seitens der BH Melk wird betont, dass das Bauvorhaben bereits im November des Vorjahres "nach der Einholung der erforderlichen Gutachten und Stellungnahmen naturschutzbehördlich bewilligt" worden sei. "Im Bewilligungsverfahren wurde unter anderem gutachtlich festgestellt, dass eine wesentliche Beeinträchtigung des Seeadler-Brutpaares - insbesondere wegen der Entfernung zum Projekt und der dazwischen liegenden Bundesstraße samt Radweg - nicht zu erwarten ist", so Bezirkshauptmann Norbert Haselsteiner auf KURIER-Anfrage.
Da keine vertiefende Naturverträglichkeitsprüfung durchzuführen war, habe auch keine elektronische Kundmachung erfolgen müssen. Mittlerweile werde eine Beschwerde zum Verfahren am Landesverwaltungsgericht geprüft, so die BH Melk.
Alle Nachrichten aus Krems und der Wachau jeden Freitag im Postfach mit dem KURIER Krems-Newsletter:
Kommentare