Am 6. April 1945 herrschte Euphorie im „Zuchthaus Stein“, der heutigen Justizanstalt. Nur wenige Tage zuvor rückte mit dem Einmarsch der Roten Armee in der „Ostmark“ das Kriegsende in greifbare Nähe.
Begünstigt durch die schlechte Versorgungslage der Stadt wurde zeitgleich auch die Entlassung zahlreicher Inhaftierter des damals größten Gefängnisses der „Ostmark“ veranlasst. Für einen geregelten Ablauf der Freilassung wurden teilweise auch politische Häftlinge mit Waffen ausgestattet.
Angebliche Revolte blutig niedergeschlagen
Eine potenzielle Bedrohung – zumindest für einen Vollzugsbeamten, der die SS über eine ausgebrochene Revolte informierte. SS, SA und Wehrmacht eröffnete daraufhin das Feuer auf die offiziell bereits entlassenen Häftlinge.
„Das Morden fand nicht nur im Gefängnis statt“, erklärt dazu Historiker Robert Streibel, der sich seit vielen Jahren mit der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit seiner Heimatstadt Krems befasst.
In den darauffolgenden Tagen ereignete sich laut dem Historiker auch rund um Krems eine „beispiellose Jagd“ auf entlassene Häftlinge, die als „Kremser Hasenjagd“ in die Geschichte einging. Überreste der Opfer der Massenerschießungen liegen bis heute unter der Erde am Straßenrand Richtung St. Pölten, denn nicht alle Toten wurden exhumiert.
Wie viele Häftlinge damals tatsächlich ihre Leben lassen mussten, und vor allem wer genau sie waren, blieb lange unklar – bis jetzt.
Spurensuche nach Opfern
Vor rund einem Jahr begab sich Streibel mit seinem Kollegen Karl Reder auf eine akribische Spurensuche nach den Namen der Opfer. Für ihre Forschungsarbeit wühlten sich die beiden Historiker durch alle zur Verfügung stehenden nationalen und internationalen Datenbanken und traten mit den Gemeinden und Städten in Kontakt, in denen die einzelnen Personen geboren wurden.
„Das Ergebnis dieses Bemühens ist eine Liste mit den Namen von 251 Toten sowie 44 weiteren Opfern, die am 15. April 1945 hingerichtet wurden“, so die Historiker.
Insgesamt stammen die Opfer aus 13 Ländern. Der Großteil waren Österreicher gefolgt von Griechen, Kroaten und Tschechen. Um die Namen der ausländischen Opfer zu eruieren arbeiteten Streibel und Reder auch eng mit den Botschaften der Länder zusammen. Noch offen ist das Schicksal von 270 Personen. „Bei der Hälfte dieser Personen kann man aber davon ausgehen, dass sie das Massaker nicht überlebt haben“, so Streibel.
Weitere Schicksale offen
Die Historiker suchen nun weiter nach Hinweisen zu deren Schicksalen. So auch bei einer Gedenkveranstaltung am kommenden Sonntag (um 15 Uhr am Friedhof Stein), wo Namenslisten verteilt werden sollen.
Im Rahmen dieser Veranstaltung werden nun, 78 Jahre nach dem Massaker von Stein, erstmals auch die Namen aller Opfer verlesen werden.
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