Entscheidung zu Fritzl wird dauern: Anwältin rechnet mit Verlegung
Heute fand ab 13 Uhr abermals eine Anhörung von Josef Fritzl in Krems statt. Der nach dem Inzestfall von Amstetten verurteilte Straftäter könnte durch die Entscheidung eines 3-Richter-Senats in den Normalvollzug überstellt werden. Das Ergebnis der Entscheidung wird noch im Mai erwartet.
Anhörung
Geladen waren laut Landesgericht Krems unter anderem die Sachverständige Adelheid Kastner, der 89-Jährige Josef Fritzl samt Verteidigerin Astrid Wagner sowie die Staatsanwaltschaft Krems. Verteidigerin Wagner rechnete mit einer bedingten Verlegung ihres betagten Mandanten aus dem Maßnahmen- in den Normalvollzug.
Verteidigerin Wagner gab noch vor der Anhörung ein Statement ab. Zuvor habe sie mit Fritzl sprechen können. Sie beschrieb den 89-Jährigen als "aufgeregt". Etliche Medienvertreter waren zu dem Termin erschienen, obwohl die eigentliche Anhörung nicht öffentlich war.
Zwei Gutachten würden Fritzl "einen entsprechenden Gefährlichkeitsabbau attestieren", so die Anwältin, gleichzeitig besage eine gerichtsmedizinische Expertise, dass der betagte Mann "körperlich fit ist". Das sage aber nichts über dessen Geisteszustand aus, so Wagner. Der Straftäter spreche davon, dass er in Freiheit ein "selbstbestimmten Leben" mit "eigenem Haus" haben möchte.
Erst im Jänner wurde Fritzl angehört. Damals lautete die Entscheidung auf eine bedingte Entlassung aus dem Maßnahmen- in den Normalvollzug, die aber in Folge vom Oberlandesgericht Wien wieder aufgehoben wurde. Eine generelle Entlassung, die Wagner weiterhin erhofft, wurde damals aus "spezialpräventiven Gründen" abgelehnt worden.
Nach der etwa eineinhalbstündigen Anhörung trat Wagner abermals vor die Medienvertreter. Die Entscheidung werde schriftlich mitgeteilt. Das sei "ungewöhnlich", allerdings mache es Sinn, denn die Gutachten seien umfangreich. Die Vertedigerin ist sich sicher, dass der Entscheid auf Verlegung fallen werde.
Das bezeichnet Wagner wiederum als wichtigen Schritt dafür, dass Fritzl irgendwann vollkommen in Freiheit entlassen werden könne. Experten halten das für eher unwahrscheinlich.
- 27. April 2008 - Ein noch nie da gewesener Fall von Missbrauch wird in Amstetten publik: In einem Verlies hat Josef F. seine Tochter 24 Jahre lang gefangen gehalten. Während der Gefangenschaft hat der Mann mit der mittlerweile 42-jährigen Elisabeth sieben Kinder gezeugt, eines starb nach der Geburt. Drei der Kinder lebten im Keller des Wohnhauses der Familie, drei bei Josef F. und seiner Frau: Sie waren angeblich von der vermeintlich abgängigen Elisabeth heimlich bei ihren Eltern abgelegt worden. Die Ermittlungen sind eine Woche zuvor ins Rollen gekommen, nachdem Josef F. seine schwerkranke Enkelin (19) ins Spital brachte und nach ihrer Mutter gesucht wurde. Der 73-Jährige wird festgenommen. Medienvertreter aus aller Welt „belagern“ in der Folge tagelang die niederösterreichische Bezirksstadt.
- 28. April 2008 - F. legt ein weitgehendes Geständnis ab und wird tags darauf in U-Haft genommen.
- 29. April 2008 - Das Ergebnis der DNA-Untersuchung bestätigt: Alle sechs Kinder der damals 42-jährigen Tochter Elisabeth sind eindeutig von ihrem eigenen Vater.
- Anfang Juni 2008 - Die schwerst erkrankte 19-jährige Tochter von Elisabeth, deren Einlieferung ins Krankenhaus den Fall ins Rollen gebracht hat, kann die Intensivstation des Landesklinikums Amstetten verlassen. Nach Angaben der Ärzte wird sie wieder völlig gesund. Die anderen Familienmitglieder sind Ende April in die Sonderkrankenanstalt übersiedelt und werden von der Öffentlichkeit abgeschirmt.
- Oktober 2008 - Das gerichtspsychiatrische Gutachten bescheinigt F. Zurechnungsfähigkeit und emotionale Invalidität.
- 29. Dezember 2008 - Opfer-Anwalt Christoph Herbst gibt bekannt, dass die Tochter von Josef F. sowie deren Kinder das Landesklinikum Amstetten-Mauer nach fast achtmonatigem Aufenthalt verlassen haben. Ihr neues Domizil bleibt geheim.
- 16. März 2009 - Zu Beginn seines Prozesses in St. Pölten, zu dem zahlreiche internationale Medienvertreter anreisen, bekennt sich F. zu den Anklagepunkten Nötigung, Inzest und Freiheitsberaubung schuldig, räumt zur Vergewaltigung eine Teilschuld ein. Die Vorwürfe Mord und Sklavenhandel weist er zurück.
- 18. März 2009 - Josef F. legt - nachdem er die Video-Vernehmung seiner Tochter gesehen hat - überraschend ein vollinhaltliches Geständnis ab und bekennt sich auch zu den Anklagepunkten Mord durch Unterlassung und Sklaverei schuldig.
- 19. März 2009 - F. wird von den Geschworenen in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen. Er wird rechtskräftig zu lebenslanger Haft und Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verurteilt.
- 3. Juni 2009 - Josef F. wird in die Justizanstalt Stein gebracht und bezieht dort auf eigenen Wunsch eine Einzelzelle. Der mittlerweile 74-Jährige gibt an, bald arbeiten, sich integrieren und eine Therapie machen zu wollen.
- 8. Oktober 2021 - In den Fall gerät Bewegung, nachdem ein Boulevardblatt meldet, der mittlerweile geschiedene Josef F., der nun auch anders heißt, könnte in absehbarer Zeit auf freien Fuß kommen. Das Justizministerium bestätigt, dass er allerdings kaum Chancen hat, enthaftet zu werden. Es wird allerdings bekannt, dass das Landesgericht Krems, das in diesem Fall regelmäßig die Voraussetzungen für den Maßnahmenvollzug zu prüfen hat, zur Ansicht gelangt ist, dass von dem zu diesem Zeitpunkt 86-Jährigen keine Gefahr mehr ausgeht. Josef F. kann gemäß Entscheid seine lebenslange Haftstrafe nun im „Normalvollzug“ verbüßen. Die Staatsanwaltschaft beruft gegen diese Entscheidung, F. bleibt vorläufig im Maßnahmenvollzug.
- 27. Dezember 2021 - Ein neues psychiatrisches Gutachten soll Klarheit über die Gefährlichkeit von Josef F. bringen, nachdem das OLG die Entscheidung des Kremser Landesgerichts über die Aufhebung des Maßnahmenvollzugs zurückgewiesen hat.
- 20. April 2022 - Das Landesgericht Krems entscheidet nach dem Eintreffen des psychiatrischen Ergänzungsgutachten, dass Josef F. bedingt aus dem Maßnahmenvollzug entlassen wird. Die Staatsanwaltschaft erhebt Beschwerde, der Fall liegt nun erneut beim Oberlandesgericht Wien.
- 27. Juni 2022 - Das OLG Wien gibt der Beschwerde der Staatsanwaltschaft Krems statt, Josef F. bleibt daher im Maßnahmenvollzug. Der Beschluss wird damit begründet, dass unverändert eine nicht behandelbare schwerwiegende Erkrankung vorliege, die eine Einweisung rechtfertige.
- 25. Jänner 2024 - Ein Dreiersenat des Landesgerichts Krems entscheidet nach einer nicht öffentlichen Anhörung erneut, dass Josef F. bedingt aus dem Maßnahmenvollzug entlassen werden soll. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, die Staatsanwaltschaft war bei der Anhörung nicht anwesend und hat nun 14 Tage Zeit, Rechtsmittel anzumelden. Josef F. bleibt bis zur Rechtskraft der Entscheidung im aktuellen Setting.
Der Fall
In der österreichischen Kleinstadt Amstetten hatte Fritzl 1984 seine damals 18-jährige Tochter in den schalldicht ausgekleideten Keller seines Hauses gesperrt. In den folgenden mehr als 20 Jahren vergewaltigte er sie tausendfach und zeugte sieben Kinder mit ihr. Eines davon starb bald. Die Ehefrau, die im ersten Stock des Hauses mit dem Rest der Familie lebte, hatte laut Behörden nichts von alldem mitbekommen.
Der Fall flog 2008 auf und machte weltweit Schlagzeilen. Die Anklage im Prozess lautete auf Mord durch Unterlassen, Vergewaltigung, Freiheitsberaubung, schwere Nötigung, Sklaverei und Blutschande. Fritzl bekam lebenslange Haft. Er hat im Gefängnis einen neuen Nachnamen angenommen.
Kommentare