"Dieser Mensch ist nicht gefährlich": Josef Fritzl wird in Normalvollzug überstellt

Josef Fritzl in Auto
Ein Gutachten attestierte, dass Unterbringungsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen. Nun steht fest: Fritzl wird in den Normalvollzug überstellt - unter Auflagen.

Der Andrang von Journalisten war groß, als Josef Fritzl Donnerstagfrüh um kurz nach 7 Uhr - begleitet von mehreren Justizwachebeamten - in einem Bus beim Landesgericht Krems vorfuhr. Es ist das erste Mal seit 15 Jahren, dass der zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilte 88-Jährige in der Öffentlichkeit zu sehen war. 

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Der Ansturm von Medien sei auch im Vorfeld enorm gewesen, bestätigte Ferdinand Schuster, Sprecher des Landesgerichts Krems, gegenüber dem KURIER. Er habe zwei Tage lang durch telefoniert. 

"Dieser Mensch ist nicht gefährlich": Josef Fritzl wird in Normalvollzug überstellt

Anwältin Astrid Wagner spricht von einem "ersten Teilerfolg".

Anwältin Astrid Wagner erklärte vor der Anhörung vor allem für internationale Medien noch einmal, worum es heute geht. Wagner möchte dem in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesenen Josef Fritzl, einen Lebensabend auf freiem Fuß ermöglichen. Mit Erfolg. Um kurz vor 9 Uhr fiel die Entscheidung: Fritzl wird in den Normalvollzug überstellt. 

"Dieser Mensch ist ganz einfach nicht gefährlich“, sagte Wagner im Anschluss gegenüber Medienvertretern. Die Verteidigerin spricht von einem "ersten Teilerfolg". Bedingt ist die Entlassung in den Normalvollzug auf zehn Jahre. 

"Mein Mandant hat erneut gesagt, dass er es bereut. Im Moment wird kein Antrag auf Freilassung gestellt", so die Anwältin. Es sei erst 16 Jahre her, das sei nicht die durchschnittliche Anhaltedauer. "Ich habe nicht damit gerechnet, dass er sofort freigelassen wird". Die Voraussetzung für die Entlassung ist die Fortsetzung der Psychotherapie.

Entscheidung ist nicht rechtskräftig

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, da der Anhörung kein Vertreter der Staatsanwaltschaft beiwohnte. Die Anklagebehörde hat laut Gerichtsangaben nun 14 Tage Zeit, um Rechtsmittel anzumelden. Möglich ist eine Beschwerde an das Oberlandesgericht Wien

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Für den 88-Jährigen bedeutet die nunmehrige Entscheidung des Kremser Dreiersenats, dass er zwar in den Normalvollzug kommen soll, derzeit und bis zur Rechtskraft des Beschlusses aber in der Justizanstalt Stein im Maßnahmenvollzug bleibt. Wagner will sich weiterhin für eine generelle bedingte Entlassung, also den Schritt in die Freiheit für Josef Fritzl, einsetzen. Entsprechende Anträge möchte sie in Zukunft stellen.

Hintergrund der Anhörung ist ein Inzestfall, der 2008 international für Schlagzeilen gesorgt. Josef Fritzl – mittlerweile hat er seinen Namen geändert – hielt seine Tochter 24 Jahre im Keller seines Hauses gefangen und zeugte mit ihr sieben Kinder. Erst als ein Kind medizinische Hilfe benötigte, kam der Fall ans Tageslicht. 2009 wurde der damals 73-Jährige rechtskräftig zu lebenslanger Haft und zur Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher – also in den Maßnahmenvollzug – verurteilt.

Anlass für die Anhörung war - wie vorab berichtet - ein psychiatrisches Gutachten der Linzerin Heidi Kastner. „Es hat bei meinem Mandanten ein Gefährlichkeitsabbau stattgefunden. Das heißt, er ist nicht mehr im Maßnahmenvollzug anzuhalten, wo ja wirklich gefährliche Rechtsbrecher anzuhalten sind.“ Das habe mit körperlichen Abbau zu tun, unter anderem leide Fritzl unter Demenz.

Die Entlassung aus dem Maßnahmenvollzug bedeute aber nicht, dass Fritzl heute auch aus der Haft entlassen wird, so seine Anwältin. "Das ist erst der nächste Schritt", sagte Wagner. 

"Dieser Mensch ist nicht gefährlich": Josef Fritzl wird in Normalvollzug überstellt

Ein Drei-Richter-Senat des Landesgerichts Krems hörte den im Inzestfall von Amstetten verurteilten Josef Fritzl Donnerstagfrüh an. Es ging um die Verlegung des 88-Jährigen vom Maßnahmen- in den Normalvollzug

Der Maßnahmenvollzug oder der Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen bezeichnet die Unterbringung von Rechtsbrechern mit psychischen Erkrankungen, die aufgrund ihrer Gefährlichkeit von der Außenwelt abzuschließen sind. Ein entscheidender Unterschied zum normalen Strafvollzug ist, dass bei unzurechnungsfähigen Tätern keine Strafe ausgesprochen wird.

Die Chancen dafür standen bereits im Vorfeld insofern nicht schlecht, als die psychiatrische Sachverständige Heidi Kastner in einem im Dezember 2023 vorgelegten Gutachten, zum Schluss kommt, dass von Fritzl aufgrund von Demenz keine strafbaren Handlungen mehr zu erwarten sind. Die Anhörung selbst fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

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  • 27. April 2008 - Ein noch nie da gewesener Fall von Missbrauch wird in Amstetten publik: In einem Verlies hat Josef F. seine Tochter 24 Jahre lang gefangen gehalten. Während der Gefangenschaft hat der Mann mit der mittlerweile 42-jährigen Elisabeth sieben Kinder gezeugt, eines starb nach der Geburt. Drei der Kinder lebten im Keller des Wohnhauses der Familie, drei bei Josef F. und seiner Frau: Sie waren angeblich von der vermeintlich abgängigen Elisabeth heimlich bei ihren Eltern abgelegt worden. Die Ermittlungen sind eine Woche zuvor ins Rollen gekommen, nachdem Josef F. seine schwerkranke Enkelin (19) ins Spital brachte und nach ihrer Mutter gesucht wurde. Der 73-Jährige wird festgenommen. Medienvertreter aus aller Welt „belagern“ in der Folge tagelang die niederösterreichische Bezirksstadt.
  • 28. April 2008 - F. legt ein weitgehendes Geständnis ab und wird tags darauf in U-Haft genommen.
  • 29. April 2008 - Das Ergebnis der DNA-Untersuchung bestätigt: Alle sechs Kinder der damals 42-jährigen Tochter Elisabeth sind eindeutig von ihrem eigenen Vater.
  • Anfang Juni 2008 - Die schwerst erkrankte 19-jährige Tochter von Elisabeth, deren Einlieferung ins Krankenhaus den Fall ins Rollen gebracht hat, kann die Intensivstation des Landesklinikums Amstetten verlassen. Nach Angaben der Ärzte wird sie wieder völlig gesund. Die anderen Familienmitglieder sind Ende April in die Sonderkrankenanstalt übersiedelt und werden von der Öffentlichkeit abgeschirmt.
  • Oktober 2008 - Das gerichtspsychiatrische Gutachten bescheinigt F. Zurechnungsfähigkeit und emotionale Invalidität.
  • 29. Dezember 2008 - Opfer-Anwalt Christoph Herbst gibt bekannt, dass die Tochter von Josef F. sowie deren Kinder das Landesklinikum Amstetten-Mauer nach fast achtmonatigem Aufenthalt verlassen haben. Ihr neues Domizil bleibt geheim.
  • 16. März 2009 - Zu Beginn seines Prozesses in St. Pölten, zu dem zahlreiche internationale Medienvertreter anreisen, bekennt sich F. zu den Anklagepunkten Nötigung, Inzest und Freiheitsberaubung schuldig, räumt zur Vergewaltigung eine Teilschuld ein. Die Vorwürfe Mord und Sklavenhandel weist er zurück.
  • 18. März 2009 - Josef F. legt - nachdem er die Video-Vernehmung seiner Tochter gesehen hat - überraschend ein vollinhaltliches Geständnis ab und bekennt sich auch zu den Anklagepunkten Mord durch Unterlassung und Sklaverei schuldig.
  • 19. März 2009 - F. wird von den Geschworenen in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen. Er wird rechtskräftig zu lebenslanger Haft und Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verurteilt.
  • 3. Juni 2009 - Josef F. wird in die Justizanstalt Stein gebracht und bezieht dort auf eigenen Wunsch eine Einzelzelle. Der mittlerweile 74-Jährige gibt an, bald arbeiten, sich integrieren und eine Therapie machen zu wollen.
  • 8. Oktober 2021 - In den Fall gerät Bewegung, nachdem ein Boulevardblatt meldet, der mittlerweile geschiedene Josef F., der nun auch anders heißt, könnte in absehbarer Zeit auf freien Fuß kommen. Das Justizministerium bestätigt, dass er allerdings kaum Chancen hat, enthaftet zu werden. Es wird allerdings bekannt, dass das Landesgericht Krems, das in diesem Fall regelmäßig die Voraussetzungen für den Maßnahmenvollzug zu prüfen hat, zur Ansicht gelangt ist, dass von dem zu diesem Zeitpunkt 86-Jährigen keine Gefahr mehr ausgeht. Josef F. kann gemäß Entscheid seine lebenslange Haftstrafe nun im „Normalvollzug“ verbüßen. Die Staatsanwaltschaft beruft gegen diese Entscheidung, F. bleibt vorläufig im Maßnahmenvollzug.
  • 27. Dezember 2021 - Ein neues psychiatrisches Gutachten soll Klarheit über die Gefährlichkeit von Josef F. bringen, nachdem das OLG die Entscheidung des Kremser Landesgerichts über die Aufhebung des Maßnahmenvollzugs zurückgewiesen hat.
  • 20. April 2022 - Das Landesgericht Krems entscheidet nach dem Eintreffen des psychiatrischen Ergänzungsgutachten, dass Josef F. bedingt aus dem Maßnahmenvollzug entlassen wird. Die Staatsanwaltschaft erhebt Beschwerde, der Fall liegt nun erneut beim Oberlandesgericht Wien.
  • 27. Juni 2022 - Das OLG Wien gibt der Beschwerde der Staatsanwaltschaft Krems statt, Josef F. bleibt daher im Maßnahmenvollzug. Der Beschluss wird damit begründet, dass unverändert eine nicht behandelbare schwerwiegende Erkrankung vorliege, die eine Einweisung rechtfertige.
  • 25. Jänner 2024 - Ein Dreiersenat des Landesgerichts Krems entscheidet nach einer nicht öffentlichen Anhörung erneut, dass Josef F. bedingt aus dem Maßnahmenvollzug entlassen werden soll. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, die Staatsanwaltschaft war bei der Anhörung nicht anwesend und hat nun 14 Tage Zeit, Rechtsmittel anzumelden. Josef F. bleibt bis zur Rechtskraft der Entscheidung im aktuellen Setting.

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