Kinder über Gleise gelotst: Drei Lehrerinnen werden entlassen
Für jene vier Lehrerinnen einer Wiener Volksschule, die bei einem Ausflug Kinder über einen geschlossenen Bahnübergang in Leobendorf (Bezirk Korneuburg) gelotst hatten, gibt es Konsequenzen. Drei der Pädagoginnen habe man aufgrund "schwerwiegender Dienstpflichtverletzungen" die Entlassung angekündigt. Das teilte der Stadtschulrat am Montag mit. Gegen die vierte Lehrerin wird ein Disziplinarverfahren eingeleitet.
Drei Begleitpersonen sollen am 28. Juni auf dem Bahnhof in Leobendorf (Bezirk Korneuburg) eine Gruppe von 83 Kinder der ersten bis vierten Schulstufe (je eine Klasse) bei geschlossenen Schranken über die Gleise gelotst haben, um einen Zug zu erreichen. Laut Zeugenaussagen passierte nur wenige Sekunden später ein Regionalzug den Bahnhof, ohne anzuhalten.
Nach Angaben der Landespolizeidirektion waren die zehn- bis zwölfjährigen Kinder gegen 12.20 Uhr vermutlich von der Burg Kreuzenstein zum Bahnhof gekommen, um nach Wien zu fahren. Um zum Zug zu gelangen, muss man den Gleiskörper überqueren. Wegen des nahenden Regionalzuges war die Schrankenanlage geschlossen.
Die Polizei ersuchte daraufhin um Hinweise aus der Bevölkerung. Noch am selben Tag meldete sich eine Verdächtige bei der Polizei – sie unterrichtet an einer Volksschule in Wien-Döbling. Die Lehrerin gab den Fehler zu. "Aber es lag zu keiner Zeit eine fahrlässige Gemeingefährdung vor, wie behauptet wird", sagte Rechtsanwalt Gerold Beneder, der eine der vier Lehrerinnen vertritt, gegenüber dem KURIER. Man habe nämlich kilometerweit gesehen. Und der Lokführer, der später durchfuhr, habe auch keine Personen mehr in der Nähe der Schranken wahrgenommen. "Zu dem Zeitpunkt saßen die Schüler bereits im anderen Zug."
Lehrerinnen wurden vorgeladen
Die Pädagoginnen wurden "unmittelbar" nach Bekanntwerden des Vorfalls vom 28. Juni vorgeladen, hieß es in der Stellungnahme des Stadtschulrats am Montag. Nach dem Gespräch seien dienstrechtliche Schritte eingeleitet worden.
"Für Schulveranstaltungen, wie zum Beispiel Schulausflüge, gibt es für alle Schulen klare rechtliche Vorgaben", wurde betont. Wesentliche Aspekte dabei seien die Gewährleistung der körperlichen Sicherheit der Schüler sowie die Abwehr von Gefahren.
Auch Volksanwaltschaft ermittelt
Für eine versäumte Schnellbahn hätte es wohl keine Konsequenzen gegeben: Ausflüge in der Volksschule dürften zwar nur maximal fünf Stunden dauern, aber, so betonte man im Stadtschulrat: "Verspätungen sind selbstverständlich zu tolerieren."
Inzwischen hat sich in die Causa auch die Volksanwaltschaft eingeschaltet. "Das Lehr-und Begleitpersonal hat für die Sicherheit der Schülerinnen und Schüler zu sorgen, hier dürfte das Gegenteil der Fall gewesen sein", wurde der Schritt dort begründet.
Eltern stehen hinter Lehrerinnen
Bereits am vergangenen Freitag hatte der Stadtschulrat eine fristlose Entlassung gegen insgesamt vier Lehrerinnen angekündigt. Eltern der Schüler wehrten sich noch dagegen. In einem eMail, das dem KURIER vorliegt, beschreiben die Eltern eine Lehrerin folgendermaßen: "Frau X ist eine hervorragende Pädagogin. Die beste, die wir uns für unsere Kinder wünschen können. Sie ist engagiert, kompetent, und ja, vermutlich hat sie einen Fehler gemacht. Genaueres wird die Polizei feststellen." Man wünsche unter allen Umständen, dass sie weiterhin die Kinder unterrichtet: "Frau X genießt, so wie in der Vergangenheit, auch in der Zukunft unser uneingeschränktes Vertrauen!"
"Einmaliges Fehlverhalten"
Der Elternverein jener Wiener Schule, deren Kinder während eines Schulausflugs nach Niederösterreich trotz geschlossenem Schranken über Bahngleise gelotst worden waren, steht hinter den Lehrkräften. Man sei bereit, diesen das pädagogische Vertrauen entgegen zu bringen, "um unsere Kinder weiterhin zu unterrichten und zu betreuen", hieß es am Montag in einer Aussendung des Vereins. "Wir sind überzeugt, dass es sich bei diesem Vorfall um ein einmaliges Fehlverhalten gehandelt hat", wurde betont. Derartiges sei bisher noch nie passiert: "Wir kennen und schätzen unsere Pädagoginnen als verantwortungsbewusste, hervorragende Lehrerinnen."
Der Verein appellierte, dies bei der weiteren Vorgangsweise mitzubedenken: "Als Vertretung der betroffenen Eltern können wir hiermit nur alle Beteiligten an der Entscheidungsfindung über strafrechtliche und disziplinäre Konsequenzen aufrichtig bitten, die mehrheitliche Meinung der Eltern und Kinder bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Denn schließlich geht es um unsere Kinder."
Verdachts der fahrlässigen Gemeingefährdung an 83 Schülern
Über die weitere Vorgangsweise werde nach Abschluss des Strafverfahrens entschieden, hieß es. Nun wird wegen des Verdachts der fahrlässigen Gemeingefährdung an 83 Schülern ermittelt.
Neben den vier Lehrerinnen waren übrigens auch sieben Begleitpersonen (Eltern) bei dem missglückten Ausflug dabei.
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