Kampf um die Nachtruhe am Flughafen Wien

Vier- bis fünfmal wird Susanne Laschober jede Nacht aus dem Schlaf gerissen. Da rauscht ein Flugzeug auf dem Weg von oder nach Wien-Schwechat über ihre Siedlung in Rauchenwart, NÖ, hinweg.
Bis zu 80 Dezibel hat sie in ihrem Schlafzimmer schon gemessen. Das ist lauter als eine moderne Waschmaschine im Schleudergang, so laut wie ein Streitgespräch direkt neben dem Bett. Schon 65 Dezibel kann die Pulsfrequenz verändern, ab 85 Dezibel das Gehör Schaden nehmen. „Man wird trotz Oropax geweckt“, sagt Laschober.
54-mal Lärm-Horror jede Nacht
19.390 Starts und Landungen zwischen 22 Uhr und 6 Uhr früh hat Laschober 2022 dokumentiert. „Im Schnitt heißt das 54-mal Lärm-Horror jede Nacht. Man weiß, dass Lärm schädlich ist und auch kognitive Schäden bei Kindern anrichten kann“, sagt sie.
Laschober ist Gründerin der Initiative Rauchenwarth und Sprecherin der Plattform „SOS Region Ost“. Seit zehn Jahren kämpfen die Flughafen-Anrainer gegen Fluglärm und für ein Nachtflugverbot für geplante Flüge zwischen 22 Uhr und sechs Uhr.
Recht auf Nachtruhe wie in Wien
Aktuell gibt es eine Deckelung von 4.700 Flugbewegungen zwischen 23.30 und 05.30 Uhr pro Jahr. Diese wurde im Mediationsvertrag festgelegt, der von rund 50 Verfahrensparteien wie Flughafen, Bürgerinitiativen, Anrainergemeinden und den Ländern Wien, NÖ und Burgenland ausgehandelt wurde.
Doch diese Zahl sei viel zu viel, kritisiert Laschober. Vor allem, da die Flüge nachts nur eine Start- und Landebahn ansteuern und damit eine Region stärker belastet ist. Wien hingegen werde zwischen 21 Uhr und 7 Uhr weitgehend verschont, „Wir wollen ein Recht auf Nachtruhe und eine Gleichbehandlung mit Wien.“
Ruhiges Paradies
Vor allem der Rückgang der Flugbewegungen 2020 und 2021 hat den Lärmbetroffenen gezeigt, wie mit der Ruhe auch die Lebensqualität zunimmt. „Das war das Paradies auf Erden“, sagt Laschober. Mittlerweile ist es damit wieder vorbei. Mit 23,7 Millionen Passagieren liegt der Flughafen mittlerweile bei rund 75 Prozent des Passagieraufkommens von 2019.
Dass ein Nachtflugverbot möglich ist, daran haben die Bürger keine Zweifel. Immerhin gäbe es ein solches auch in Zürich, München oder Frankfurt. „Warum muss eine Charterairline um drei Uhr früh in die Türkei fliegen“, fragt sich Laschober.
Einhaltung der Deckelung wird geprüft
Nun könnte tatsächlich wieder Bewegung in das Thema kommen. Im Dialogforum, in dem neben dem Flughafen auch 120 Gemeinden, viele Bürgerinitiativen und die Länder Wien, NÖ und Burgenland für einen Ausgleich der Interessen sorgen, soll die Nachtflugregelungen ab Februar evaluiert und neu verhandelt werden.
So wird etwa geprüft, ob die Deckelung eingehalten wird. 2019 wurde diese nämlich überschritten, 2022 gab es 4.400 Flüge zwischen 23.30 und 5.30 Uhr.
Verbot diskutieren
„Ich kann mir vorstellen, dass wir da ein generelles Nachtflugverbot auch diskutieren“, sagt Obmann Jürgen Maschl.
So einfach, wie es sich die Plattform SOS Region Ost vorstelle, sei es aber nicht. „Frankfurt hat etwa mehr Flugbewegungen in der Nacht, weil es so viele Ausnahmeregelungen gibt“, sagt Maschl. Tatsächlich könnten bei einem Nachtflugverbot die Flugbewegungen vor 22 Uhr und nach 6 Uhr zunehmen. Generell werde auf die Gesundheit der Bürger geachtet.
Die Lärmbelastung liege nächtens bei 45 Dezibel – zehn Dezibel unter dem gesetzlichen Grenzwert, betont Dialogforum-Geschäftsführerin Juliana Ghasemipour. Aber natürlich gebe es Lärmspitzen, räumt sie ein.
Politischer Appell
Laschober dauert das zu lange. Die Bürger hatten sich daher zuletzt an Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner gewandt und politisches Handeln gefordert.
Zuständig ist im Land NÖ Mobilitätslandesrat Ludwig Schleritzko. Er betont, dass im Dialogforum bereits viele Verbesserungen erreicht wurden. Man arbeite aber auch an Lösungen, um das Flugaufkommen in der Nacht weiter zu reduzieren. Die Betroffenen sind gespannt.
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