Obwohl der wegen schweren Raubes und anderer Delikte verurteilte Tschetschene (35) wegen eines angeblich kaputten Knies zu einer MRT-Untersuchung kutschiert wurde, gelang es dem Häftling, zwei junge Justizwachebeamte im Sprint abzuhängen – und das trotz Handfesseln. Das lädierte Knie scheint auf wundersame Weise die Strapazen der Flucht mitgemacht zu haben. Die Alarmfahndung nach dem 35-Jährigen in den Kremser Weinbergen wurde am Dienstag kurz vor 22 Uhr nach mehr als vier Stunden erfolglos abgebrochen.
Großeinsatz ohne Ergebnis abgebrochen
Beteiligt waren rund 200 Beamte, Hubschrauber, Drohnen sowie Diensthunde. Der Mann hätte noch elf Jahre im Hochsicherheitstrakt zu verbüßen.
Weiter flüchtig ist auch der 16-jährige Afghane, der seit Montag Justiz und Polizei via Instagram-Account brüskiert. Bereits kurz nachdem der Insasse des Jugendgefängnisses Gerasdorf aus dem Spital in Wr. Neustadt getürmt war, begann er seine Flucht mittels Online-Storys auf Instagram öffentlich zur Schau zu stellen. In Handschellen dokumentiert er ganz ungeniert seinen Drogenkonsum. Was der getürmte Strafgefangene von der Polizei hält, demonstriert er mit dem bekannten Mittelfinger-Emoji.
Dienstrechtsverletzung?
Indes liegen dem KURIER auch die näheren Umstände zu seiner Flucht vor. Menschliches Versagen der beiden verantwortlichen Justizbeamten steht im Raum. Der Fall wird wegen möglicher Dienstrechtsverletzung intern untersucht. Jener Justizbeamte, der den Wagen fuhr, hatte bereits am Krankenhausareal am Steuer Platz genommen. Allerdings galt es, noch einen Befund aus dem Landesklinikum mitzunehmen. Die internen Sicherheitsregeln sehen dazu vor, dass der Lenker aussteigt und die Befunde holt während der zweite Beamte im Fond den Insassen bewacht. Passiert ist es aber genau umgekehrt.
Keine Kindersicherung, Türe nicht versperrt
Die hintere Türe war weder versperrt noch die Kindersicherung aktiviert, weshalb der 16-Jährige leichtes Spiel hatte und davon laufen konnte. Der Vorsitzende der Justizwachegewerkschaft Albin Simma (FCG), kritisiert schon länger die Umstände und Modalitäten bei den Vorführungen von Haftinsassen bei Ärzten.
Viele Kollegen würden davor zurück schrecken, den Gefangenen nicht nur Hand- sondern auch Fußfesseln anzulegen, weil sie dies vorab genau begründen müssten. „Es ist nur im äußerten Notfall gestattet. Deswegen wollen sich das die meisten Kollegen gar nicht erst antun. Das muss sich endlich aufhören“, sagt Simma.
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Welches Risiko das in sich birgt, habe der Fall von Krems Dienstagabend gezeigt. Ein brandgefährlicher Straftäter ist seither untergetaucht. Laut Simma nutzen viele Häftlinge das vorherrschende System ganz bewusst aus. „Wir sind für einen Selbstbehalt der Insassen bei Arztbesuchen. Dann würde sich die Zahl der Vorführungen schlagartig um ein Drittel reduzieren. Viele machen das nur zum Spaß“, so der Gewerkschafter.
Simma schlägt auch auffällige Anstaltskleidung für besonders gefährliche Insassen vor. Dann wäre es bei einer Flucht leichter, die Entflohenen zu identifizieren und zu fassen.
Gewalt, Drogen und Handys im Gefängnis
Neben illegalen Handys sind Psychopharmaka und Drogen unter Insassen aktuell ein weit verbreitetes Problem in den Gefängnissen. Laut internen Papieren, die dem KURIER vorliegen, soll es alleine im Frauengefängnis Schwarzau in den vergangenen drei Monaten neun verletzte Justizbeamte und Beamtinnen bei Übergriffen von teils beeinträchtigten Insassinnen gegeben haben. „Die prekäre Lage passt derzeit zum allgemeinen Zustand der Justiz“, erklären Beamte, die anonym bleiben möchten.
FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz verlangt endlich ein hartes Druchgreifen der Justiz in den Strafanstalten und ein Ende des Kuschelkurses. "Nicht nur, dass Islamisten sich in den Haftanstalten ungehindert per Telefon verständigen und ihr terroristisches Treiben organisieren können, dürfte es ein Leichtes sein, einfach so auszubüxen und auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden", erklärt Schnedlitz.
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