Justiz auf Hungerkur: Pointierte Abrechnung bei Festakt

Gerhard Jelinek (Präs. OLG Wien), Clemens Jabloner, Hans-Peter Weiss (Austrian Real Estate), Waltraud Berger, Stefan Koppensteiner (v.l.n.r.)
Neunkirchen musste 40 Jahre auf die Sanierung des Bezirksgerichts warten. Auch das Personal ist am Limit.

Für gewöhnlich gibt es bei feierlichen Eröffnungen von modern sanierten Amtsgebäuden viel Lobhudelei, Dank und Anerkennung. So gesehen fiel die Schlüsselübergabe für das funkelnagelneue Bezirksgericht in Neunkirchen diese Woche völlig aus dem Rahmen. Ungewohnt kritisch und direkt für einen Festakt gingen die Verantwortlichen in ihren Ansprachen mit den Sparplänen im Justizressort ins Gericht.

„Man war beim Anblick des Gerichts in Kafkas Zeiten versetzt“, hatte die Vizepräsidentin des Oberlandesgerichts Wien, Waltraud Berger, bei ihrer Ansprache die Lacher auf ihrer Seite. Auch der Vorsteher des Bezirksgerichts, Stefan Koppensteiner, skizzierte die unendliche Geschichte bis zur Sanierung des maroden Hauses. Das Gebäude hatte den Krieg überdauert und bereits in den 1970er-Jahren gewisse Abnützungserscheinungen, die schon damals eigentlich einen Umbau unabdingbar machten. Aber es sollten weitere 40 Jahre vergehen, bis endlich Bewegung in die Sache kam. „Als es 2014 die Zusammenlegung mit dem Bezirksgericht Gloggnitz gab, hatten wir die Hoffnung in die Justiz bereits aufgegeben. Aber vier Bundespräsidenten und elf Bundeskanzler später war es dann tatsächlich doch noch soweit“, sagte Berger.

Justiz auf Hungerkur: Pointierte Abrechnung bei Festakt

Das generalsanierte Gericht

Auch ÖVP-Landtagsabgeordneter Hermann Hauer konnte sich einen Seitenhieb auf das Ministerium nicht verkneifen. 40 Jahre bis zu einer Sanierung seien rekordverdächtig. „Diese Zeitrechnung sind wir in Niederösterreich nicht gewöhnt.“

Kein langer Genuss

Koppensteiner legte noch eines drauf, als er den Gästen erklärte, weshalb die Belegschaft sich nicht lange am Buffet laben werde. Die notorische personelle Unterbesetzung bei Vollbetrieb mache es notwendig, dass die Mitarbeiter bald wieder an ihren Schreibtischen sitzen. „Die Justiz ist auf eine Hungerkur gesetzt. Es kann nicht sein, dass das Budget erbettelt werden muss“, sagte Berger.

Der Vizekanzler und Justizminister der Übergangsregierung, Clemens Jabloner, konnte und wollte den pointierten Vorwürfen nichts entgegen setzen. „Es ist kein Geheimnis, dass das Justizressort durch einige Legislaturperioden hindurch unterbudgetiert war. Leider kann ich diese Probleme nicht lösen. Ich bin vielleicht noch zwei Monate im Amt“, so Jabloner.

Justiz auf Hungerkur: Pointierte Abrechnung bei Festakt

Blick in einen der neuen Verhandlungssäle

Die Sanierung des Bezirksgerichts kostete übrigens 5 Millionen Euro. Obwohl das Finanzamt bereits 2016 aus dem Gebäude auszog, darf der Schriftzug auf Weisung des Bundesdenkmalamtes nicht von dem historischen Haus entfernt werden. Auch die Einschusslöcher in der Fassade aus dem 2. Weltkrieg durften bei der Sanierung nicht entfernt werden.

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