Lehre: "Jammern alleine ist zu wenig"

Das AMS rät Firmen zur Reform ihrer Lehrlingsausbildung und startet ein Kompetenzzentrum.

Schlechte Ausbildung führt zu Arbeitslosigkeit. Das mag eine Binsenweisheit sein, doch das Problem verschärft sich in Niederösterreich. Das zeigt die AMS-Bilanz 2012: 19.200 nö. Arbeitslose waren Personen, die keinen Schulabschluss haben – um 7,3 Prozent mehr als 2011.

Die Wirtschaft beklagt die schlechte Ausbildung aber auch bei angehenden Lehrlingen. Die Grundfertigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen seien bei den jungen Niederösterreichern oftmals nur mangelhaft ausgeprägt. In dieser Debatte meldet sich nun der Landeschef des Arbeitsmarktservice zu Wort. Und Karl Fakler spricht Klartext: „Die Firmen müssen erkennen, dass sie nicht nur Genies bekommen können.“ Natürlich müssten die Schulen ihren Absolventen die Grundfertigkeiten besser beibringen. Aber: „Jammern allein ist zu wenig. Auch das Ausbildungsangebot in den Betrieben muss verbessert werden. Warum nicht Nachhilfeunterricht in der Firma?“

Wer glaubt, auf österreichische Lehrlinge verzichten und sich besser ausgebildetes Personal aus dem Ausland holen zu können, der irrt. Fakler: „Der Zuwachs an ausländischen Beschäftigten spielt sich vorwiegend im Hilfsarbeiterbereich ab.“ Und so bleibt das Problem des Facharbeitermangels bestehen. 2012 registrierte das AMS NÖ auch einen Rückgang der Lehrstellensuchenden. Knapp 970 Jugendliche versuchten, einen Ausbildungsplatz zu finden – fast sechs Prozent weniger als 2011.

Höhere Gehälter

Die Bemühungen der Wirtschaft, das Bild der Lehre mit Werbemaßnahmen zu verbessern, hält Fakler für richtig. Aber: „Man kann nicht nur mit dem Image arbeiten. Man muss attraktive Arbeitsplätze, Arbeitszeiten und Entlohnung bieten.“ In letzter Konsequenz sei auch die Höhe der Einstiegsgehälter zu überdenken.

Nichts desto trotz hat sich das AMS vorgenommen, auch in Sachen Lehrplätze Gas zu geben. Rund 55.600 freie Jobs und Lehrstellen sollen im heurigen Jahr mit einer passenden Arbeitskraft besetzt werden. Die Jobvermittler planen zu diesem Zweck rund 5000 Betriebsbesuche.

Auch die Auswahl der Bewerber soll verbessert werden. Um Arbeitslose ganzheitlich testen zu können, will das AMS ein Kompetenzzentrum einrichten. Dort sollen Arbeitsuchende nicht nur auf ihre Fähigkeiten und Gesundheit hin überprüft werden. Auch die Eignung für einen Beruf soll gleich festgestellt werden. „Das heißt, dass dort etwa ein Tischlermeister im Praxistest darüber befindet, ob sich der Kandidat überhaupt zum Tischler eignet“, erklärt Fakler. Das Kompetenzzentrum befindet sich in der Ausschreibungsphase. Bis zum Frühjahr soll feststehen, mit wem das AMS das Projekt umsetzt.

„Als ich von meiner Betreuerin beim AMS zu dem Infoabend geschickt wurde, hab ich mir im ersten Moment eigentlich nur gedacht: Was ist denn das wieder für ein Kurs?“, schildert eine Teilnehmerin ihren ersten, skeptischen Kontakt mit dem Projekt „Theaterwerk“. Erstmals in Niederösterreich machen Arbeitslose bei diesem Pilotprojekt in Wiener Neustadt einen Crashkurs in „Schauspielerei“. Die Reaktionen sind gemischt.

Medial gab es schon ein paar „Watsch’n“ für den Kurs: Die Sinnhaftigkeit, einen arbeitslosen Mechaniker Theater spielen zu lassen, wurde in Frage gestellt. Doch man will ja niemand auf Schauspieler umschulen, sagt Wiener Neustadts AMS-Chef Georg Grund-Gröss: „Hier werden Fertigkeiten gestärkt, die für einen erfolgreichen Arbeitsmarktauftritt entscheidend sind. Lernfähigkeit, Redegewandtheit, Selbstbewusstsein. Referenzprojekte geben uns recht: Bei einem ähnlichen Kurs in Klagenfurt haben 70 Prozent der Teilnehmer in drei Monaten wieder einen Job gefunden. Das ist ein tolles Ergebnis.“

Hilft im Leben

Beim Besuch einer Probe sind jedenfalls alle voll des Lobes: „Ich freue mich jeden Tag, herkommen zu dürfen“, sagt die anfangs so misstrauische Teilnehmerin. „Ich bin mit gemischten Gefühlen hierher gekommen, aber ich werde glücklich gehen“, sagt auch die 20-jährige Michaela Müllner. Sie ist seit Sommer arbeitslos. „Die vielen Absagen deprimieren. Aber hier sind Leute, die mich aufbauen. Es ist ein seltsames Gefühl, im Theaterspielen jemand anderer zu sein, aber man verliert Hemmungen und gewinnt Selbstvertrauen.“ Ein anderer Teilnehmer meint: „Der Kurs bringt mir fürs Leben einfach viel. Wir haben geübt, wie man bei einer Türe herein kommt, wie man spricht, welcher Gesichtsausdruck wie ankommt. Das hilft im Leben.“

Profis am Werk

Das Umfeld ist dabei ganz professionell: Geleitet wird der Kurs von Edmund Emge, der als Regisseur etwa bei den Opernfestspielen in St. Margarethen tätig war: „Bei einer Gastprofessur in den USA arbeitete ich mit Amateuren und war überrascht, wie viel man in einigen Wochen erreichen kann. Das Auftreten und das Selbstbewusstsein wurden verbessert. Dann kam die Idee, das wäre genau das Richtige für Arbeitsuchende, denen oft der Optimismus abhanden gekommen ist.“ In zwei Jahren folgten sieben Projekte in Vorarlberg, Kärnten und Oberösterreich. „Das hier Gelernte prägt fürs ganze Leben. Es ist überraschend, wie positiv sich das Auftreten in drei Monaten verändert. Wer einmal vor 300 Zuschauer auf der Bühne gestanden ist, fürchtet auch kein Bewerbungsgespräch mehr.“

Geprobt werden „Philemon und Baucis“ von Ovid sowie die Komödie „Racheengel“ von Emge. Vorstellungen gibt es am 26., 27. und 28. Feber jeweils um 19.30 Uhr im Saal des Wiener Neustädter Stadtwerke in der Neunkirchner Straße 61.

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