Jägerkompanie Tulln: Frau Hauptmann und die starken Männer

Jägerkompanie Tulln: Frau Hauptmann und die starken Männer
Die Milizsoldaten der selbstständig strukturierten Jägerkompanie Tulln strotzen vor Motivation – und machen ihre Kommandantin stolz.

Gemma Burschen, des geht jetzt a no!“ – fünf Männer in grünen Uniformen schleppen einen mehr als 130 Kilogramm schweren Holzkasten den lehmigen Weg entlang, schwitzen, keuchen, lächeln. Was auf den ersten Blick aussieht wie eine unbarmherzige Drillübung, ist die pure Motivation der Soldaten der Jägerkompanie Tulln. Sie bauen einen Checkpoint ab, der Holzkasten stellt eine schusssichere Wand dar. Auch wenn es kein Problem gewesen wäre, ihn auf ein Fahrzeug zu hieven, wollen sich die Soldaten der „Tulln“ beweisen, was in ihnen steckt – und tun das mit Freuden.

Ihre Kommandantin, Frau Hauptmann Anna Kaiser, ist stolz auf sie: „Die Soldaten haben eine extrem hohe Motivation, das muss uns einmal jemand nachmachen“, sagt sie im FAKTEN-Gespräch. Seit 2016, als die selbstständig strukturierte Milizkompanie gegründet wurde, hat sich viel getan: 180 Soldaten umfasst die Einheit, die Stimmung ist ungebrochen.

Jägerkompanie Tulln: Frau Hauptmann und die starken Männer

Gemäß des Bundesheer-Konzeptes „Neuausrichtung der Miliz“ wurden insgesamt zwölf neue Jägerkompanien aufgestellt. Diese Einheiten haben spezielle Aufträge in ihrer regionalen Umgebung. Für Kaiser sind regelmäßige Treffen die Hauptgründe für die Hohe Motivation: „Zwischen den großen Übungen finden freiwillige Ausbildungsblöcke statt, zu denen eigentlich jedes Mal zwischen 25 und 35 Mann kommen.“ Anfänglich wurde monatlich an einem Samstag geübt, inzwischen sind die Ausbildungen zu zweitägigen Blöcken zusammengefasst. „Insgesamt kommen wir aber immer noch auf zwölf Tage pro Jahr.“

Soldatin durch und durch

Angeboten werden unter anderem Nahkampfkurse und wehrpolitische Vorträge. Die Soldaten treffen sich aber auch in ihrer Freizeit, um gemeinsam zu marschieren oder laufen zu gehen. „Solche Ausbildungen fördern nicht nur die Motivation und den Zusammenhalt der Einheit, sondern auch die Einsatzbereitschaft“, sagt die Kompaniekommandantin.

Kaiser, die im zivilen Leben seit 2015 an der Donau-Universität Krems für Kulturgüterschutz zuständig ist und dort unter anderem EU-Projekte, die sich mit Kulturgüterschutz bei Naturkatastrophen befassen, leitet, hat das Militär schon immer interessiert: „Nach der Matura wollte ich mir zumindest ansehen, ob Soldatin der richtige Beruf für mich ist. Wegen einer Verletzung bin ich nicht auf die Militärakademie gegangen, sondern habe studiert und bin, als dies für Frauen möglich wurde, zur Miliz gegangen.“

Jägerkompanie Tulln: Frau Hauptmann und die starken Männer

Florian Gimpl, Universitätsassistent

„Ich bin im Internet auf die Jägerkompanie Tulln gestoßen – was ich dort gelesen habe, hat mir gut gefallen“, sagt Florian Gimpl aus Wien. Als er im April 2016 darauf stieß, fand er „eine motivierte Truppe und tolle Möglichkeiten“ vor und meldete sich beim Kompaniekommando.
Vier Jahre war es her, dass Gimpl seinen Grundwehrdienst absolviert hatte, doch mit dem Bundesheer hat er sich immer verbunden gefühlt. Als der Universitätsassistent an der Uni Wien zu seiner ersten Übung bei der „Tulln“ einrückte, wusste er, dass er bleiben wird: „Man wird sofort von den Kameraden aufgenommen, es herrscht eine extreme Offenheit nach außen.“ Auch der Umgang im Dienstbetrieb war für Gimpl optimal: „Es gibt keine starren Hierarchien, sondern ein Miteinander. Die Kommandanten begegnen einem auf Augenhöhe und der Hausverstand regiert“, freut sich der 25-jährige Wiener.

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Daniel Schollar, Selbstständig

„Als Grundwehrdiener hatte ich eine ziemlich fade Zeit, ich habe fast nichts erlebt. Als es vorbei war, dachte ich, das Bundesheer sieht mich nie wieder“, sagt Daniel Schollar.
Der 41 Jahre alte gelernte Maschinenschlosser lebt in Zöfing bei Tulln, führt seit zehn Jahren sein eigenes Unternehmen, er bietet mobiles Sandstrahlen an. Das Bundesheer geriet für ihn immer mehr in Vergessenheit, bis vor drei Jahren ein Bekannter auf ihn zukam: „Der war damals Hauptmann und hat mich gefragt, ob ich nicht Teil einer selbstständig strukturierten Milizkompanie sein will – das hat sich großartig angehört, also habe ich Ja gesagt“, sagt Schollar. Bereut hat er es in keiner Weise: „Die Übungen sind fast so etwas wie ein Männerurlaub.“
Unterstützung erhält er auch von seiner Familie, nur in einen Auslandseinsatz würde er aus Rücksicht auf Frau und Kinder nicht gehen.

 

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Jürgen Nolz, Student

„Nach meinem Grundwehrdienst wollte ich mich 2011 eigentlich zur Miliz melden, das dürfte aber in den Mühlen der Bürokratie untergegangen sein“, berichtet Jürgen Nolz.
Der Student der Politikwissenschaften hat sich immer mit dem Bundesheer verbunden gefühlt. Als der gebürtige Tullner 2016 von der Schaffung einer Miliz-Jägerkomanie erfuhr, war er Feuer und Flamme: „Bei der ersten Übung der Kompanie im November 2016 bei pfeifendem Wind, konstanter Feuchtigkeit, niedrigen Temperaturen und Übungseinlagen just zum Mittagessen konnte ich erleben, worauf es bei der Miliz ankommt“, erzählt er. Das Engagement und die Disziplin seiner Kameraden hätten ihn beeindruckt. „Jeder hat seine fachlichen Kompetenzen aus dem zivilen Bereich eingebracht, sodass wir das Übungsziel erreicht haben. Schon die erste Übung hat uns zusammengeschweißt“, sagt der 29-Jährige.

Als Frau hat sie in der Männerdomäne Bundesheer kein Problem: „Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass ich mich als Frau in einer Führungsposition erst unter Beweis stellen muss. Da sehe ich keinen Unterschied zwischen der zivilen und der militärischen Welt. Meinen Soldaten kann ich diesbezüglich nur Rosen streuen, ich wurde von Anfang an als Kompaniekommandantin akzeptiert.“

Hauptaufgabe der „Tulln“ ist der Schutz kritischer Infrastruktur in der Region. Da der Großteil der Soldaten aus dem Großraum Tulln kommt, kennen sich viele aus dem privaten Leben – mit ein Grund, warum die Kameradschaft so gut funktioniert. Für Kaiser ist jedoch klar, dass es noch einiges zu tun gibt: „Um den Auftrag bestmöglich erfüllen zu können, müssen Verfahren in Angriff und Verteidigung wieder vermehrt in die Ausbildung einfließen, auch diese werden schließlich im Schutz gebraucht. Da ist die Ausbildung der Kompanie sicherlich noch ausbaufähig.“

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