Ibrahim D. (Name geändert) ist kein unbeschriebenes Blatt. Sieben Jahre Haft fasste er in Salzburg für Propaganda im Namen des Islamischen Staates (IS) aus.
Er wolle "sich dem Dschihad anschließen" und "lieber als Soldat des IS bei einem Bombenanschlag sterben, als hier in einem Bett", gab er freimütig zu Protokoll. In der Justizanstalt Hirtenberg (Bezirk Baden), wo er im Vorjahr seine Strafe verbüßte, soll er seine Aktivitäten fortgesetzt haben. Weil er Mithäftlinge zum IS "bekehren" wollte, steht er am Dienstag nun in Wiener Neustadt vor Gericht.
Propagandamaterial
Videos von Hinrichtungen und weiteren Gräueltaten wurden bei einer Durchsuchung seiner Zelle gefunden, Mithäftlinge berichten von Überredungsversuchen, auch Skizzen von Bomben und einschlägige Zeitungsartikel entdeckte man in D.s Zelle.
Entsprechend ernst nimmt man die Bewachung des Angeklagten. Drei schwer bewaffnete, maskierte Beamte lassen den 31-Jährigen im Gerichtssaal keine Sekunde aus den Augen. Doch der gibt sich lammfromm. Er habe seinen radikalen Gedanken längst abgeschworen, beteuert D.: "Früher habe ich so gedacht, das stimmt. Aber seit ich hinter Gittern war, habe ich entdeckt, dass Österreich ein gesetzestreues Land ist. Das hat mich überzeugt, meine Meinung zu ändern. Auch die österreichische Bevölkerung hat mich überzeugt."
"Wollte hier studieren"
Und der 31-Jährige findet recht pathetische Worte für seinen Sinneswandel: "Ich habe den Islamischen Staat aus meinem Herzen verbannt, mein falsches Gedankengut erkannt und mich selbst therapiert. Ich bin jetzt ein neutraler Mensch und tolerant."
Er sei nach Österreich gekommen, um hier sein Informatikstudium fortzusetzen. Radikalisiert worden sei er erst hier durch "ständige rassistische Beschimpfungen durch meinen Nachbarn. Daher habe ich gedacht, alle Österreicher sind so."
Doch die Berichte von Mitgefangenen sprechen gegen D.s Darstellung seines Verhaltens. Von "beharrlichen Versuchen", ihn zu radikalisieren berichtet einer. Hinzu kommen das eindeutige Propagandamaterial sowie Berichte des Vereins "Derad", der sich um Deradikalisierung von Häftlingen in Österreich bemüht. Von einer solchen Deradikalisierung sei bei D. nichts zu bemerken, lautet das Urteil. Er habe jede Beratung abgelehnt.
"Giftige Ideologie"
"Ich weiß nicht, wie die Speicherkarten mit den Videos in meinen Wäschekorb gekommen sind, sie können ja auch jemand anderem gehören", weist der 31-Jährige jede Schuld von sich. Und: "Ich sehe mich nicht als radikal, will nie wieder in meinem Leben etwas mit dieser giftigen Ideologie zu tun haben."
Warum er Skizzen und Medienberichte dann - trotz mehrfacher Wechsel der Justizanstalt - aufgehoben habe, will die vorsitzende Richterin wissen. Die Erklärungsversuche des Angeklagten sind wenig schlüssig. Um im Falle einer Rückkehr nach Syrien Belege für seine einstige Nähe zum IS vorlegen zu können, ist einer davon. Eine solche Rückkehr hat D. übrigens selbst beantragt: sein Ansuchen auf Entlassung aus der Haft und Abschiebung in sein Heimatland wurde jedoch abgewiesen.
Von ehemaligen Zellengenossen belastet
"Ich würde dort sofort verhaftet, weil ich wegen Nähe zum IS hier in Österreich verurteilt wurde", ist dem 31-Jährigen bewusst. "Und dann wollen Sie selbst dorthin und bringen noch Beweise für diese Nähe zum IS mit?", wundert sich die Richterin. Aufklären kann der Angeklagte diesen Widerspruch nicht. Auch nicht, warum er von mehreren ehemaligen Zellengenossen belastet wird.
Zur Ladung weiterer Zeugen wird der Prozess vertagt.
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